Aschenpummel (German Edition)
steckte sie zwei Finger in den Mund und stöhnte laut auf.
Das war aber bei weitem nicht das Schockierendste. Das, was mich wirklich zutiefst empörte und mich alle Vorsicht vergessen ließ, das hing an der Wand.
Ohne nachzudenken schoss ich zwischen den Schnüren hindurch und schrie: »Ihr Diebe! Ihr hundsgemeinen Diebe!«
An der Wand hinter Mama und dem Diwan hing Frank Sinatras signierte Ukulele und zahlreiche Fotos von ihm, alle ebenfalls mit Autogramm, und auf dem größten stand: For my dear friend Hansa .
Hans- a ! Da hatte tatsächlich jemand ein a dazugekritzelt.
Mama schrie auf. Der Wagenleithner fummelte hektisch an der Kamera herum und donnerte dann los: »Hab ich dir nicht verboten, den Trampel hierherzubringen?«
Mama verteidigte sich jammernd: »Ich hab sie nicht hergebracht, sie muss mir gefolgt sein!«
»Ach, halt doch die Klappe«, fuhr ich sie an.
»Thaddäa!«, tobte sie und richtete sich auf. Jetzt sah ich, was sie anhatte. Einen roten Body, der manches verhüllte, das Wichtigste aber freiließ. O Gott, das wollte ich alles gar nicht sehen, ich wandte den Kopf ab und schnappte nach Luft. Dann stürzte ich zur Ukulele und riss sie vom Haken.
»Halt!«, brüllte der Wagenleithner. »Die Sachen gehören mir, ich habe sie rechtmäßig erworben!«
»Ach ja?«, rief ich. »Den Kaufvertrag möchte ich aber sehen!«
Ich schnappte mir die Fotos, griff mir die beiden Schallplatten, die vor dem Diwan auf dem Boden lagen, und war bereit, die Sachen unter Einsatz meines Lebens zu verteidigen.
»Bädmän! Fass!« Ich zuckte zusammen. Batman blieb die Ruhe selbst. Er erhob sich im Zeitlupentempo und streckte sich erst einmal genüsslich, bevor er zu mir rüberkam.
»Fass!«, wiederholte sein Herrchen.
Batman riss das Maul auf.
Er gähnte. Dann schleckte er meine Hand ab. »Mein braver Schatz«, flüsterte ich.
»Ich lass dich einschläfern, Scheißköter!«, brüllte Wagenleithner. Batmans Ohren zuckten ein bisschen, dann schleckte er weiter.
Wagenleithner baute sich vor mir auf. Sein Gesicht war krebsrot, auf seiner Stirn pochte die dicke Ader. »Diese Sachen gehören mir«, wiederholte er keuchend. »Ich habe sie gewonnen.«
»Was?«
»Ja, du hast ganz richtig gehört, du Trampel. Dein Chef, dieser alte Narr, war ein Spieler, wusstest du das nicht? Er konnte nie aufhören. Hat sogar seinen öden Schuhladen auf die Karte gesetzt. Ich hab ihn gewonnen, was glaubst du, was er da geheult hat. Und weil ich so ein unendlich guter Mensch bin«, er sagte das völlig ohne Ironie, »hab ich gnädigerweise statt des Schuhladens die Sinatrasachen genommen.«
»Um damit Pornos zu machen?«
»Thaddäa«, mischte Mama sich jetzt ein. »Was für Worte nimmst du in den Mund?«
Ich schnappte nach Luft. »Ich? Du –«
Vornehm sagte sie: »Das ist Internetentertainment und hat überhaupt nichts mit Pornographie zu tun. Schließlich kann nicht jeder Dahergelaufene unsere Seite anschauen. Nur Stammkunden.«
Verzweifelt rief ich: »Was hat das mit dem armen Frank Sinatra zu tun?«
Der stolze Produzent wurde geschäftsmäßig: »Nicht, dass es viel Sinn hat, dir das zu erklären, aber bitte. Heutzutage, wo jede kleine Hausfrau sich vor ihrer Webcam auszieht, braucht man einen Aufhänger. Und du glaubst nicht, wie vielen Männern es gefällt, wenn sie glauben, dass sie sich an der Ex-Geliebten eines Stars aufgeilen können.«
»Die glauben euch das?«, entfuhr es mir.
»Wir haben jede Woche an die viertausend Zugriffe«, verkündete Mama stolz.
Wagenleithner griff nach der Ukulele. »Und jetzt her mit den Sachen, und dann hau ab, wir müssen weiter drehen. Unser Publikum wartet.«
»Nein«, rief ich. »Das sind die Sachen von Hans! Und du, Mama, wirst mir helfen, sie ins Auto zu bringen!«
»Thadd –«
»Sonst erzähl ich alles Tissi!«, spielte ich meinen größten Trumpf aus.
»Das wagst du nicht!«
»Das wirst du ja sehen. Und nicht nur ihr. Ich sage es auch deinen Nachbarn. Überhaupt allen in der Sieveringer Straße«, drohte ich an Wagenleithner gerichtet weiter.
»Ha, wer wird dir schon glauben!«, gab er zurück.
»Nicht nur mir wird man glauben«, verkündete ich. »Auch Hans’ Tochter, dann Bonnie-Denise, dem Buchhändler von nebenan und dem Zahnarzt. Und der Assistentin vom Zahnarzt. Alle diese Menschen sind auf meiner Seite. Und dann noch mein Freund bei der Polizei, der Ewald Bauer. Soll ich ihn gleich anrufen?«
»Die Sachen gehören mir!«, beharrte Wagenleithner und stampfte
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