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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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können. Okay, wenn man jetzt mal den Nobelpreis, die Ärztin und den Oscar wegließ. Und das Topmodel natürlich auch. Aber der Rest?
    Warum nicht mit zweiunddreißig Jahren das Leben ändern? Warum nicht davon ausgehen, dass man alles schaffen konnte? Einfach mal mutig sein. Ja, verdammt! Ich konnte alles, wenn ich wollte.
    Alles!
    Wenn ich wollte, konnte ich dem Piraten meine Liebe gestehen. Ich konnte ihn küssen und mich nackt vor ihm ausziehen. Und wenn er eine Frau hatte, na, dann konnte ich seine Geliebte werden. Ich konnte Mama endlich die Meinung geigen. Ich konnte Tissi einfach Tissi nennen. Ihr sagen, dass ich sie für die schlechteste Psychologin im gesamten Universum hielt. Ich konnte Bonnie-Denise endlich nur mehr Be-De nennen, konnte meinen Job kündigen, mir von meinem bisschen Ersparten ein Flugticket nach Australien kaufen und dort an einen Busch pinkeln. Ich konnte bungeejumpen, den Ärmelkanal durchschwimmen, nach Hollywood fliegen und Kindermädchen bei Brangelina werden. Ich konnte Politikerin werden und die Jetzt verbieten. Ich konnte zur Fußball-WM fahren und Flitzerin werden, dann würde ich ins Fernsehen kommen. Ich konnte Rauschgift ausprobieren, mir mit Mozartkugeln und Schokobananen zweihundert Kilo anfuttern, mir ein Piratenschiff auf den Rücken tätowieren lassen oder boxen lernen. Ich konnte Geld für eine Brustvergrößerung sparen oder für eine künstliche Befruchtung.
    Ich konnte – ich konnte – ich musste eine kleine Verschnaufpause einlegen.
    Zwei Uhr vierundvierzig. Sollte ich nochmal beim Piraten anrufen? Nur zweimal läuten lassen oder so, schauen, ob er abhebt, schauen, ob sie abhebt?
    Ich griff nach meinem Handy, klappte es auf und begann die Nummer einzutippen. Plötzlich hielt ich inne. Nein, du Wahnsinnige, das wirst du nicht machen, das hast du nicht nötig. Du hast es nicht nötig. Ich drückte sekundenlang auf den roten Knopf, so lange, bis mein Handy sich abgeschaltet hatte, und war maßlos stolz auf mich. Das hier war die vollkommen neue Teddy, eine aufregende, interessante, starke Frau. Eine Frau, die keine anonymen Anrufe machte, eine Frau, die vielleicht anonyme Anrufe bekam . Jawohl, so wollte ich sein. Begehrt, umschwirrt, leidenschaftlich geliebt.
    Ich stand auf und tastete mich durch das dunkle Schlafzimmer bis ins Vorzimmer und weiter in die Küche, wo ich mir eine Schachtel Schokobananen aus dem Kühlschrank angelte. Ich mochte sie am liebsten, wenn sie schön kalt waren. Leider hatte ich mir in einem Anflug von Selbstgeißelung nur die kleinen mit Geleefüllung gekauft. Nicht die guten großen mit echtem Bananenmark drin. Nach der Autosache letzten Sonntag war meine Moral die ganze Woche über so tief gewesen, dass ich mich in vielerlei Hinsicht hatte bestrafen müssen. Keine cremigen weißen Kokoskügelchen, sondern die mit Nougat gefüllten. Keine Mousse au Chocolat, nur Pudding – und zwar den ohne Sahnehäubchen.
    Ich ging mit meiner Geleebananenschachtel ins Badezimmer, schaltete das Licht ein und setzte mich in Unterhosen auf die Fliesen. Am Ende eines Jahrhundertsommers hat jeder so seine Tricks drauf, wie er sich am besten Kühlung verschafft. Ich lehnte mit dem Rücken an der Badewanne, dachte an den Piraten, malte mir mit geschlossenen Augen aus, wie mich der völlige Wandel meines Lebens mit den süßesten Erfüllungen belohnen würde, und aß alle vierzig Schokobananen auf. Die waren ja so klein. Danach war mir trotzdem schlecht, und mein Bauch sah aus wie eine dreistöckige Raupe.
    Zurück im Bett bescherte Modern Talking mir den nächsten Lovesong und ich musste feststellen, dass ich jede Silbe von »You’re my heart, you’re my soul« mitsingen konnte. Das durfte der Pirat nie erfahren.

3
    Ich rannte, als ginge es um mein Leben. Zumindest die ersten zweihundert Meter. Bei der Trafik, in deren Hinterzimmer ich vor elf Jahren meinen ersten Kuss bekommen hatte, musste ich eine Pause einlegen. Die Zunge hing mir bereits aus dem Hals. Danach ließ ich es ruhiger angehen.
    Verrückte Welt. Nach meinen nächtlichen Überlegungen hätte ich mich in aller Herrgottsfrühe mit Sachertorte vollstopfen, danach meinen Job kündigen und anschließend nach Paris abdüsen können. Doch was sollte ich in Paris, wo doch der Pirat hier war? Was sollte ich mit Sachertorte, wo ich doch nichts lieber wollte, als dem Piraten zu gefallen? Also hatte ich mich entschlossen, das erste Mal in meinem Leben Sport zu machen, danach brav arbeiten zu gehen und

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