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Aschenputtelfluch

Aschenputtelfluch

Titel: Aschenputtelfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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das einzig Richtige getan, dachte ich und mein Herz begann zu flattern. Ganz sacht, aber ich konnte es nicht ignorieren. Und ich hätte es genossen, wäre da nicht eine bohrende Frage gewesen. Warum hatte Nikolaj das gemacht?
    »Mann, Nikolaj«, Megs Stimme klang bitter. »Würdest du in einem Roman vorkommen, echt, ich würde das Buch unter mein Kissen legen und jede Nacht darauf schlafen.«

KAPITEL 5
    D ie erste Nacht in Ravenhorst hatte ich mir anders vorge stellt: Mit der Angst, die mein Herz umklammerte, hatte ich nicht gerechnet.
    Vergeblich versuchte ich, Kiras Bild loszuwerden. Es war nicht einfach, vor allem nicht, weil ich mir immer wieder vorstellte, wie sie im Waschraum stand und in den Spiegel starrte. Dort nämlich hatte man inzwischen die Überreste ihrer Haarmähne entdeckt, einen ganzen Berg honigblon der Haare in einem Waschbecken. Daneben eine Schere.
    Ebensowenig, wie ich diese Bilder verdrängen konnte, gelang es mir, das dumpfe Geräusch zu ignorieren. Es passte eindeutig nicht in meinen Traum. Einen Traum, in dem ich mich mit sechs schwarzen Vögeln in den Himmel erhob, um auf einem der Türme von Ravenhorst zu lan den.
    Es war eine Art Klopfzeichen – lang, lang, kurz – und es ließ mich schweißgebadet aus dem Schlaf schrecken. Schweißgebadet, weil ich mich als Rabe von der Höhe des Glockenturmes in die Tiefe stürzte, um als Jule auf dem Pflaster aufzuschlagen. Fliegen umkreisten meinen Kopf, ließen sich in meinen Augen nieder . . . Wenn ich sie auf schlug, würden sie in die leeren Höhlen kriechen . . .
    Ich öffnete sie dennoch.
    Dunkle Wolken zogen über den Himmel und gaben nur dann und wann den Blick auf den Mond frei – eine blassgelbe Sichel in der Größe einer Banane hing am dunklen Himmel. Wo ich mich befand, wusste ich zwar, aber dennoch – das Gefühl der Fremdheit ließ mich tiefer unter die Bettdecke kriechen. Die Rollläden waren oben, obwohl ich normalerweise im Stockdunkeln schlief, aber Meg – missmutig und voller Aggression – hatte darauf bestanden, sie offen zu lassen. »Da kann ich mich sonst gleich beer. . .«, sie korrigierte sich, »eindosen lassen.«
    Beerdigen lassen, hatte sie sagen wollen, bis ihr Kira ein fiel. Lag sie immer noch in dem grauen kalten Blechsarg? Zwei Männer in dunklem Anzug und schwarzer Krawatte hatten sie in den Kofferraum eines schwarzen Kombis ge schoben, als handele es sich um ein lästiges Möbelstück. Wo hatten sie Kira hingebracht? War sie dort völlig allein?
    Wieder klopfte es.
    Der Blick zur Uhr zeigte 2.07 Uhr. Durch das Fenster, das auf Kipp stand, kam kein Luftzug. Es war stickig und schwül im Zimmer, ein Gewitter lag in der Luft.
    Meg rührte sich nicht.
    Oder täuschte ich mich?
    Nein – jetzt war es wieder deutlich zu hören. Das Klop fen kam nicht von der Tür, sondern jemand pochte ans Fenster.
    Und dann rief jemand leise: »Meg? Meg, bist du wach?«
    Bettzeug raschelte, gleich darauf das Tapsen nackter Füße. Unwillkürlich schloss ich die Augen ganz fest und rührte mich nicht. Megs Stimme klang wach und gespannt, nicht, als wäre sie gerade aus dem Tiefschlaf gerissen wor den, eher, als hätte sie auf etwas gewartet. Den nächtlichen Besucher zum Beispiel.
    »Mach auf!«
    In jedem Fall, so viel stand fest, war es eine männliche Stimme, die nun verzweifelt fragte: »Warum hat sie das gemacht?«
    »Warum wohl?«, gab Meg müde zurück.
    Ich hielt den Atem an.
    »Ich wollte das nicht.«
    Wer war das? Ich konnte es nicht sagen! Zu viele neue Leute, zu viel war passiert.
    »Du hast sie ins Messer laufen lassen«, sagte Meg. »Hast es nicht geschafft, über deinen Schatten zu springen. Aber keiner von uns kann das. Du befindest dich also in bester Gesellschaft.«
    Eine Weile herrschte Schweigen, bis die Stimme vor dem Fenster fortfuhr: »Ich habe sie doch geliebt.«
    Meg lachte auf. »Geliebt? Bist du dir sicher?«
    »Ich wollte mit ihr reden, heute.«
    »Zu spät.«
    »Warum ist sie zurückgekommen, wenn nicht wegen mir.«
    »Vielleicht, um zu springen?«, murmelte Meg. »Viel leicht, um uns etwas zu beweisen.«
    »Beweisen? Was denn?«
    »Dass sie sich für die Freiheit entscheidet.«
    »Freiheit? Mann, kapier das doch! Sie ist tot. Kira ist tot.«
    »Manchmal ist der Tod die Freiheit. Du weißt doch, wir haben so oft darüber geredet.«
    »Aber es ist etwas völlig anderes, es zu tun.«
    »Wirklich?«, fauchte Meg. »Wozu quatschen wir dann die ganze Zeit?«
    Ich zuckte zusammen. Mein Bettzeug raschelte.

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