Ash
sagt.
Leyla und ich gehen hinter Saron und Ash. Die beiden können im Dunkeln einfach besser sehen. Trotzdem finde ich es bewundernswert, wie gut Leyla sich angepasst hat. Auch sie scheint kaum Schwierigkeiten zu haben, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Meinen Led-Stab will ich nicht benutzen, weil wir damit schon von Weitem gesehen werden können. Ich stolpere über einen Stein. Leyla packt meinen Arm und hält mich fest. Ihre Reaktionen sind bemerkenswert. „Wie machst du das nur?“
„ Was denn?“
„ Du kannst die Kälte gut ab, du stolperst nicht über jeden Stein … ich komme mir im Vergleich zu dir vor wie ein Trampel.“
Im Dunkeln höre ich sie neben mir leise glucksen. „Das ist ein angenehmer Nebeneffekt des Hämophol. Wenn du eine Überdosis abbekommst, kannst du ein paar Fähigkeiten entwickeln. Ist nicht bei jedem so, und nicht jeder entwickelt die gleichen Fähigkeiten.“ Sie macht eine Pause. „Fühlst du dich denn irgendwie anders?“
Ich kneife die Augen zusammen. Ich bin immer noch nahezu blind in dieser Dunkelheit. Normalerweise würde ich mich an Ash klammern, aber erstens will ich nicht noch mehr den Eindruck erwecken, hilflos zu sein, und zweitens muss er die Augen nach Mutanten und Rebellen offenhalten.
Doch dann wird mir klar, dass tatsächlich etwas anders ist. „Die Kälte … es ist nicht so kalt wie sonst.“
Ich höre Leyla leise in die Dunkelheit lachen. „Schätzchen … hier ist es viel kälter als in den Bezirken, die mit Energie versorgt werden. Herzlichen Glückwunsch! Kälteresistenz ist eine verdammt gute Sache. Meine ist leider nicht so gut entwickelt, wie ich es mir wünschen würde.“
Ich horche weiter in mich hinein. Tatsächlich … ich zittere nicht mehr. Es ist zwar kalt, aber meine Hände und Füße sind gut durchblutet. „Kann … kann da noch mehr kommen?“
„ Wenn du Glück hast … meine Fähigkeiten haben sich nach und nach entwickelt.“
Ich stutze. „Du sagtest, die Fähigkeiten entwickeln sich durch eine Überdosis. Hast du dir bewusst eine Überdosis von Saron geben lassen?“
Plötzlich ist es still, und ich habe das Gefühl, dass ich an etwas gerührt habe, worüber Leyla nicht sprechen möchte. Doch schließlich antwortet sie. „Nein … als Saron mich fand, war ich fast tot. Saron hat mich gerettet. Es musste sein – genau, wie bei dir und Ash.“
Ich frage nicht weiter, denn ich spüre, dass Leyla nicht mehr darüber erzählen will. Ich dachte immer, sie wäre locker und fröhlich. Aber nun ist klar, dass sie einen dunklen Teil ihrer Vergangenheit hinter dieser Maske verbirgt. Vielleicht wird sie mir irgendwann mehr darüber erzählen.
„ Da vorne ...“, höre ich Ash plötzlich sagen. Ehe ich weiß, was er meint, greift er meine Hand und zieht mich hinter den Vorsprung einer baufälligen Mauer. Wir alle drücken uns eng aneinander, da nicht viel Platz hinter der Mauer ist.
„ Mutanten ...“, flüstert Ash.
„ Wie viele?“ Ich kann förmlich spüren, wie Saron im Kopf unsere Chancen bei einer Entdeckung abcheckt.
„ Zehn oder fünfzehn. Wir laufen ihnen besser nicht in die Arme. Ich schätze, die suchen nach uns.“
„ Dann warten wir hier, bis sie in eine andere Richtung gehen“, beschließt Saron.
Ash nimmt meine Hand und fragt besorgt: „Geht's noch?“
Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Ich erinnere mich an die Geborgenheit, die ich gespürt habe, als Ashs Blut in meinen Adern war. Ein winziger Teil dieser Geborgenheit ist jetzt gerade wieder da – offen und spürbar. „Alles klar“, flüstere ich und drücke seine Hand.
„ Deine Haut ist warm“, stellt er überrascht fest.
„ Nur wärmer als vorher. Ich kann die Kälte jetzt besser ab.“
Ash sagt nichts, aber er zieht mich an sich. Ich genieße seine Nähe trotz der Gefahr, in der wir uns befinden.
„ Danke … das hatte ich wohl vergessen zu sagen ...“, flüstert er mir ins Ohr, und mein Herz macht einen Satz.
4.
Unter Rebellen
Wir haben Glück. Seths „Bluthunde“ suchen noch eine Weile nach uns, dann verschwinden sie in eine andere Richtung. Als es ruhig ist, gehen wir weiter. Langsam steigt mir die Kälte jetzt doch in die Glieder – ich halte zwar länger durch als vorher, aber ich bin immer noch ein Mensch. Auch Leyla baut sichtlich ab. Saron ist besorgt. „Wie lange noch?“
Ash nickt in Richtung eines seltsam runden Turms, der zwischen den baufälligen Gebäuden aufragt. Irgendwo da muss es sein. In
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