Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
»Du weißt schon, was ich meine.«
»Du wirst nicht das Geringste spüren«, versprach Parvati. Sie würde ihn notfalls töten – besser, als das grausame Schicksal dieser armen Seelen zu teilen.
Überall ertönten Schreie, Gebete und lautes Brüllen, als die Verdammten den Himmel anflehten. Die Wolken über ihnen zitterten und Wind fegte durch die Straßen, der ganze Dünen von Sand hereintrug.
»So also sieht die Hölle aus«, wisperte Ash.
Er fühlte einen Windstoß und zog Parvati unsanft an die Wand eines Hauses. Sie konnten gerade noch rechtzeitig in die Schatten dort abtauchen, als die Kreatur auch schon auf einer nahen Mauer landete.
Das Monster kauerte auf dem Sims und kaute einen Fleischklumpen hinunter. Sein Schnabel war glänzend schwarz und sein geschuppter Kopf war mit Blutspritzern verziert. Seine Fänge schabten über die harten Lehmziegel. Die Schwingen, dunkel und schimmernd, ähnelten denen einer gigantischen Krähe und es hielt etwas in den Klauen.
Ash hielt den Atem an und drückte Parvatis Hand, während er wie gebannt zusah, als der Dämon von dem Ding in seinen Krallen Streifen von Fleisch riss, Knochen aufbrach, um an das Mark zu kommen, und schließlich den Kopf in den Nacken warf, um diese Leckerbissen herunterzuschlucken. Urplötzlich klappte er den Schnabel zu, ließ sein Mahl liegen, breitete die Flügel aus und erhob sich mit einem siegreichen Schrei in den Himmel.
Ash stieß erleichtert die Luft aus und ließ Parvati los.
»Es wimmelt überall von Patrouillen.« Parvati musterte den Himmel. »Über der Erde, auf der Erde und ganz sicher auch darunter. Savage geht kein Risiko ein.«
Sie hatte recht. Weiter Richtung Stadtmitte erkannte Ash schwerfällige Kreaturen, die sich ihren Weg durch die mutierten Menschen bahnten, sie in Augenschein nahmen und wahllos angriffen. Einige von ihnen warfen einen Mann wie einen Ball zwischen sich hin und her, sodass sein Körper in hohem Bogen durch die Luft wirbelte.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Ash.
»Na, was wohl?« Parvati löste das Schlangenschwert und schüttelte die Striemen aus, sodass die Stahlkanten zischend übereinanderstrichen.
»Warte.« Ash hielt sie zurück. Es musste doch einen besseren Weg geben, Savage aufzuspüren, als ziellos durch die Grabungsstätte zu wandern. Ash wühlte in seinem Gedächtnis. Alle Städte der Indus waren nach demselben Prinzip erbaut; oft genug hatte sein Onkel davon geredet. Diese hier, die Stadt, die auserwählt worden war, Ravanas Grab zu beherbergen, war wesentlich größer, schien aber den gleichen Grundriss wie alle zu haben. Im Augenblick befanden sie sich in dem Teil, den die Archäologen die »Unterstadt« nannten, weil hier der Großteil der Bevölkerung, das gewöhnliche Volk, untergebracht war. Die Häuser hier waren schlicht, höchstens drei Stockwerke hoch und alle nach Gitternetz-System gebaut. Hier würden sie Ravana sicher nicht finden. Sein Grab würde näher dem Zentrum sein, wo die wichtigeren Gebäude standen.
»Er ist oben in der Zitadelle«, meinte Ash.
Er zeigte die Hauptstraße hinauf, die ins Herz der Stadt führte. An ihrem Ende lag der große Hauptplatz, auf dem nichts außer einem einzigen schwarzen Gebäude stand. Der Platz selbst wurde von einem tiefen Graben eingefasst und konnte nur über eine einzige Brücke betreten werden.
Zwischen dieser und ihnen tummelten sich an die zehntausend Dämonen.
Parvati folgte Ashs Blick und ihr Schlangenschwert zuckte, gierig auf eine Schlacht. Ash hatte sie kämpfen sehen: Sie war der fleischgewordene Tod, versetzt in den Körper eines Teenagers mit blasser Haut und Kobraaugen. Dennoch, gegen diese Übermacht kam selbst sie, trotz ihrer viereinhalbtausend Jahre Kampferfahrung, nicht an.
Was sie brauchten, war ein Ablenkungsmanöver.
»Ich weiß, was du vorhast«, sagte sie. »Du meinst, jemand müsste jetzt den Helden spielen und etwas Tapferes, Gewagtes und Bescheuertes machen.«
»Klingt nach dem perfekten Job für mich«, bestätigte Ash ihre Vermutung. »Versprich mir nur, dass du Lucky befreist.«
Parvatis Iris weiteten sich, bevor sie sich zu extrem schmalen Linien verengten. »Du wirst sterben«, sagte sie. »Das ist dir doch klar, oder?«
Ash nickte knapp, unfähig, zu sprechen. Er wollte sich ein Lächeln abringen, so tun, als wäre das kein großes Ding. Und wäre er wirklich tapfer gewesen, hätte er sogar einen coolen Witz gerissen, statt mit staubtrockener Kehle hier herumzustehen und vor Furcht zu
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