Ash
Ash … eine lange Geschichte.“ Leyla lächelt mir aufmunternd zu. „Seth ist nicht gerade der angenehmste Mutant, aber auch nicht der Schlimmste. Luana hat es lange mit ihm ausgehalten.“
Ich aber nicht … denke ich störrisch. Ich weiß, dass ich einen Weg zur Flucht finden muss … irgendwie … und dass mir niemand dabei helfen wird. Schon gar nicht Ash! Ich muss es allein schaffen.
Ich werde angestarrt, sowohl von den Frauen als auch den Männern, wenn sie ihre Cocktails abholen. Sie wissen alle Bescheid – über mich, über Ash und über Seth.
Leyla plappert auf mich ein, tut ihr Bestes, mich zu unterhalten und abzulenken. Ich bin ihr dankbar dafür, aber eigentlich halte ich nur Ausschau nach Sid oder Ash. Ich will nicht, dass die beiden mich so sehen … in dieser billigen Aufmachung.
Und dann steht er vor mir. Ash! Er starrt mir direkt ins grell geschminkte Gesicht. Ich habe nicht mitbekommen, wie er sich der Bar genähert hat, sonst wäre ich wahrscheinlich unter den Tresen gekrochen vor Scham. Ashs Kiefer ist angespannt, und er hat sich nicht rasiert. Überhaupt wirkt er, als hätte er keine gute Nacht gehabt. Strähnen seines dunklen Haares fallen ihm ins Gesicht und verdecken die blauen Augen. Ich kann nicht sehen, was er denkt, aber ich fühle mich mies.
„ Mach mir einen Whiskey auf Eis“, fordert er, als wäre ich eine Fremde für ihn.
Ich spüre, wie meine Unterlippe zittert. Ich kann alles ertragen, aber das nicht!
Leyla nimmt mir die Flasche Whiskey aus der Hand, als sie bemerkt, dass ich vollkommen aus der Fassung gerate.
„ Was soll das, Ash? Sei lieber vorsichtig … sie ist Seths Neue … da du deine Chance offensichtlich verpasst hast … mal wieder!“
Leyla ist furchtlos! Sie verteidigt mich, und ich würde ihr am liebsten dafür um den Hals fallen.
Aber Ash lässt sich von ihr nicht aus der Ruhe bringen. „Manchmal muss man Dinge aufgeben, auch wenn es nicht leichtfällt.“
Ich kann nicht sprechen. In Ashs Augen sehe ich Verbitterung. Ich bin ihm nicht egal … aber eben auch nicht wichtig genug.
Plötzlich steht Seth neben ihm und raunzt ihn an. „Halte dich fern von ihr, klar? Oder hast du dich anders entschieden? Noch ist Zeit … noch habe ich sie nicht angerührt.“
Ash starrt ihn an, und ich bete darum, dass er sich anders entscheidet als gestern. Doch er wendet sich ab und geht. Seth packt mich am Arm. Seine Augen sind schwarz wie Kohlenstücke. Jede Mäßigung ist aus seinem Gesicht verschwunden. „Was hattet ihr miteinander zu sprechen? Was hat er zu dir gesagt?“
„ Nichts … verdammt, Seth … lass sie los … Sie hat nichts getan, und er wollte nur einen Drink!“ Leyla setzt sich schon wieder für mich ein. Tatsächlich lässt Seth mich los, und sein Gesicht entspannt sich. „Also gut … aber du wirst dich von ihm fernhalten. Ihr habt nichts mehr miteinander zu schaffen.“
Als ich mich an diesem Abend auf dem Sofa in Seths Loft zusammenrolle, bin ich froh, wenigstens Sid nicht begegnet zu sein. Aber das wird sich auf Dauer nicht vermeiden lassen. Und ich frage mich, wie lange es brauchen wird, bis die Transformation von Luana abgeschlossen ist – denn ich weiß: Dann bin ich fällig!
Die nächsten beiden Wochen verbringe ich in ständiger Angst. Ich beobachte Luana, der es immer schlechter geht. Ich bin mir sicher, dass es bald soweit ist. Dann braucht Seth eine neue Spenderin. Seth jagt Luana jetzt täglich die Injektionsnadel in die Vene. Eigentlich müsste ihr Körper schon längst kollabiert sein. Aber er kämpft noch gegen die Transformation an.
Letztens hat Seth sie sich sogar zweimal an einem Tag vorgenommen. Ich schätze, ihr Körper produziert nicht mehr genügend Hämophol. Ich kann sehen, wie Seth mich mustert. Er ist unzufrieden, aber noch hält er an Luana fest.
Manchmal lässt er mich abends mit Leyla im Tenfathers Drinks ausschenken. Ich funktioniere wie eine Maschine. Leyla blickt mich besorgt an. „Wie oft zapft er Luana eigentlich an?“
„ Mittlerweile fast zweimal täglich“, antworte ich müde.
„ Dann ist es bald soweit.“ Leyla weiß, dass ich leide, und seltsamerweise hat sie mich von Anfang an ins Herz geschlossen.
„ Wenn Seth zu mir kommt, sterbe ich“, gebe ich leise zu.
„ Gib nicht auf, Taya.“ Sie legt mir ihre Hand auf den Arm. Eine sanfte, tröstende Berührung. Ich sehe die kleine Tätowierung an ihrer Hand. Es ist das Zeichen ihres Besitzers Saron. Eine Art geschliffener Edelstein. Ich habe
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