Asharas Rückkehr - 19
dem Kopf einer anderen Person gestohlen, und das war schlicht unmöglich. Ein Schmerz war nun in ihr, ein Hunger, ein merkwürdiges Verlangen, das anders war als alles, was sie kannte. Sie wollte diese Berge wieder sehen, als wäre sie schon einmal dort gewesen, und gleichzeitig spürte sie, dass dort etwas wartete, das ihr Angst machte. Margaret sagte sich entschlossen, dass ihre Phantasie nur einmal mehr verrückt spielte, und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Ivor und Meister Everard zu.
«… ein Stück auf dieser besonderen Ryllzu spielen …«, sagte Meister Everard gerade. »Es muss Sie wohl mögen; ich sollte Ihnen das Instrument schenken. Das geht wirklich über mein Begriffsvermögen hinaus.«
»Aber Sie sagten, es ist historisch …«
»Ja. Es gehörte - angeblich - einer Frau namens Thyra. Das ist ein Chieri-Name, und sie wurde allgemein für eine halbe Chieri gehalten. Sie starb … na, das muss so etwa vor zwanzig Jahren gewesen sein.« Irgendetwas in Margaret stellte die Ohren auf. Thyra - ich kenne diesen Namen, und er… er hat mit etwas sehr Bösem zu tun. Zwanzig Jahre? Das wäre also ungefähr zu der Zeit gewesen, als mein Vater Darkover verließ. Laut fragte sie: »Kannten Sie diese … Thyra?« Sie stellte fest, dass es ihr sogar widerstrebte, den Namen laut auszusprechen.
»Das verboten die Götter«, sagte Meister Everard. Sein altes Gesicht sah nun betrübt aus. »Ich war immer ein treuer Untertan von Danvan Hastur, möge er in Frieden ruhen. Er kam an die Macht, als ich ein junger Mann war, und ich … ich ertrage es nicht, daran zu denken. Ein sehr trauriges Kapitel unserer Geschichte. Viele Leute sind damals gestorben, und noch mehr haben überlebt und gelitten, weil - schon gut, Domna. Sie werden nichts darüber wissen, und es dürfte Sie auch kaum interessieren. Ich wage zu behaupten, dass die Ärmste ihre Gründe hatte, zu tun, was sie getan hat. Mein Sohn Erald wüsste mehr darüber, er hat fast sein ganzes schöpferisches Leben lang an einem Liederzyklus überjene Zeit geschrieben.«
Nichts, was er sagte, enthielt eine Information, mit der Margaret etwas anfangen konnte, aber sie war so höflich zu sagen: »Ein Liederzyklus das ist ja wundervoll!«
Everard lachte freudlos. »Wohl kaum! Meinem Sohn wurde mit achtundzwanzig die Auszeichnung zuteil, dass man eines seiner Lieder verbot, wobei ich nicht wissen möchte, ob es sich um ein politisches oder ein künstlerisches Urteil handelte.«
Sein gequälter Gesichtsausdruck ließ Margaret vermuten, dass ihn die Angelegenheit stark bewegte. »Allerdings halte selbst ich >Sharras Lied< für ein sehr beunruhigendes Stück.«
»Wo ist Ihr Sohn jetzt?« Margaret spürte den angenehmen Kitzel der Neugier, und sie hatte das starke Verlangen, mit Erald zu reden, ihn gnadenlos auszufragen. Das wäre eine Sache, die sie in Angriff nehmen könnte - ein neuer Liederzyklus, aber wahrscheinlich in einem traditionellen Stil geschrieben. Auch wenn es in ihrer Publikation nur eine Fußnote ergab, war es ein Fund, ein echter Fund! Verboten. Wie interessant! Sie versuchte sich einzureden, dass sie Wissenschaftlerin war, kein Schnüffler, aber vergeblich. Nach einer Weile gab sie den Versuch als lächerlich auf. Die ganze Sache war persönlich, aber sie traute sich nicht, es zuzugeben, nicht einmal vor sich selbst. Diese Ryll, die Frau namens Thyra und »Sharras Lied« bargen ein Geheimnis, das an ihr nagen würde, bis sie es enträtselt hatte.
»Oh, er ist fort, in den Hellers.« Everard schüttelte den Kopf. »Meine Mutter hat zu mir gesagt: >Heirate kein Gerbermäd- chen<, und wahrscheinlich hatte sie Recht. Wir hatten drei Kinder, und nur Erald hat musikalisches Talent. Die beiden Mädchen sind praktisch nicht in der Lage, zwei Töne zu unterscheiden, und die Enkel sind nicht viel besser. Ach, ich darf gar nicht daran denken. Mein Enkel ist ein brauchbarer In-strumentenbauer, aber er hat wahrhaftig nicht ein einziges Lied in sich. Und so wird Rodrigo MacAran nach mir Zunftmeister werden, und er ist ein großartiger Künstler, wenn es auch schwierig ist, mit ihm zu arbeiten. Aber nur, weil er immer das Beste will, nicht weil er gemein wäre. Erald wird sich nie häuslich niederlassen, verstehen Sie.«
Er seufzte kurz über die unerfüllt gebliebenen Träume für seinen Sohn. »Wo waren wir gleich wieder stehen geblieben? Ach ja, diese Ryll. Sie dürfen gerne alles, was Sie können, aus
ihr herausholen, aber bringen Sie sie nicht in die Nähe der
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