Ashby House
erquickliche Landschaftsbild ruinieren. Doch niemand hat sich bislang beschwert. An den Wochenenden fahren Autokolonnen im Schritttempo an den Mauern aus Stahl und Blech entlang. Die Insassen der Kraftfahrzeuge schweigen andächtig oderbeschwören die Erinnerung an Zeitungs- und Fernsehbilder der Katastrophe herauf. Nur die hastig aufgestellten Zäune und Mauern geben Zeugnis davon, dass irgendwann zu Anfang des Jahres 2004 an diesem Ort die Zeit aufriss, sich das Gestern und Heute wie zwei kämpfende Schlangen umwanden, verknoteten, verschlangen, was sich ihnen in den Weg stellte, und ausspien, was unverdaulich war. Doch vielleicht war dieses Umschlingen auch freundlicher Natur, die Begrüßungszeremonie zweier Elefanten, die ihre Rüssel erheben und umeinanderlegen?
Wo früher Ashby House stand, ist die Erde nackt. Weder Trümmer noch Asche sind mehr zu sehen. Der alte Steinkreis nördlich der Mine dagegen ist wundersamerweise intakt. Auch wenn sich bis heute niemand dazu bekannt hat, die alten Findlinge bewegt zu haben: Irgendjemand (und es müssen mehrere gewesen sein) muss es getan haben. Der Eingang der Mine ist in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar 2004 verschüttet worden, und die Steine, die zuvor den Eingang versiegelt hatten, liegen wieder an ihrem druidischen Ursprungsort. Weshalb im feuchten Boden des Pfads, der von der Mine zum Steinkreis führt, keinerlei Spuren entdeckt worden waren, bleibt bis heute ungeklärt.
Vielleicht gibt es weder Gestern noch Morgen, spekuliert Laura Shalott, und vielleicht reißt schon heute der Himmel auf und schickt uns Steerpike zurück, der sich Zeit und Raum in den Rachen geworfen hat. Bis es so weit ist, wird es ihm nicht schlecht gehen, da ist sie sich sicher. Vielleicht ist jedes Leben so: sich Zeit und Raum in den Rachen zu werfen.
Aus ihrer grünen Krokodilledertasche mit dem Schlüssel, den das charakteristische Medusenhaupt ziert, zieht sie einekleine graue Papiertüte. Darin befindet sich ein Glücksbringer, den sie seit ihrem sechsten Lebensjahr besitzt. Sie hat ihn nicht wirklich gestohlen, es war vielmehr so, als wollte er unbedingt zu ihr.
»So bin ich immer ein bisschen bei dir«, flüstert sie, nachdem sie sich umgeschaut und versichert hat, dass niemand außer ihr auf dem Friedhof ist. Sie setzt die Plastikfigur der kleinen (und zugegebenermaßen ein wenig bösen) Elfe Tinker Bell auf Steerpikes Grab. Und wo immer er gerade ist – in einem Zeitloch, im Niemandsland, im Bauch der Ewigkeit –, Laura weiß, er lächelt.
ENDE
DANKSAGUNG
Ohne Svelalena Kutschke von der Agentur Simon und Bianca Dombrowa vom dtv wäre ›Ashby House‹ nicht veröffentlicht worden, da ich die Suche nach einem Verlag längst aufgegeben hatte. Dafür bedanke ich mich herzlich. Bei Svelalena Kutschke für die feinsinnige und elegante Ausführung ihrer Tätigkeit als Agentin, ihrer wertschätzenden Beratung und Betreuung. Bei Bianca Dombrowa für einen wichtigen inhaltlichen Änderungsvorschlag und das »Willkommen« in der Riege der dtv-Autoren. An schlechten Tagen sage ich mir: »Fuck you, Ludewig – du bist im selben Verlag wie Joyce Carol OATES! Im selben Verlag wie ANGELA CARTER!!!«
Hanne Reinhardt, die mich jetzt bei der Agentur Simon vertritt, ist für mich die erste Adresse und Ansprechpartnerin in allen Belangen, die mein Schreiben angeht. Eine angenehmere Zusammenarbeit kann ich mir nicht vorstellen.
Hannelore Hartmann, die ›Ashby House‹ lektoriert hat, eröffnete unseren Dialog mit den Worten: »Das sind lediglich Änderungsvorschläge. Sie brauchen keinen davon umzusetzen.« Ein größeres Kompliment kann man einem Autor nicht machen. Geichzeitig waren ihre Änderungsvorschläge oft nicht nur hilfreich, sondern eine wirkliche Bereicherung.Ich möchte mich bei ihr nicht nur bedanken, sondern auch entschuldigen. Meine Schachtelsätze zu entwirren ist eine Herausforderung, die sie genial gemeistert hat. Und ausdrückliche Entschuldigung für meinen sehr individuellen Gebrauch von Kommata.
Dass der Roman fertiggestellt wurde, hat vor allem mit seinem Erstleser zu tun. Jürgen Haus, mein bester Freund, bekam in regelmäßigen Abständen abgeschlossene Kapitel und forderte beständig und beharrlich mehr. Auch meine liebe Freundin Rebecca Steinberg war eine kritische Leserin, die konstruktive Kritik und wohldosiertes Lob lieferte.
Frank Burkhard und Betsy Niederkron haben mich für ein paar Stunden in ein Lichtdouble verwandelt, es
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