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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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lassen.
    Clemmie trat zurück. «Ich habe eigentlich gar keine Zeit. Tante Anna wollte mit mir reden. Über …»
    «Über Bea», sagte Jon. Er nahm ihren Mantel und warf ihn, typisch Kerl, zusammen mit dem Schal auf einen Stuhl. «Ich weiß.»
    «Und du weißt vermutlich auch, wer diese Bea ist», sagte Clemmie scharf.
    Jon verschränkte die Arme über der Brust und der unteren Hälfte von
Yale
. «Was weißt du eigentlich darüber, woher deine Großmutter kommt?»
    «Aus England», versetzte Clemmie von oben herab. Sie hatte keine Ahnung, was das mit Grannys Medikamenten zu tun haben sollte, aber das würde sie Jon – und seinen Schneemännern – bestimmt nicht auf die Nase binden. «Mit Zwischenstopp in Kenia.»
    «Das ist alles? ‹Aus England›?»
    «Vergiss Kenia nicht. Und schau mich nicht so an. Du weißt selbst, dass Granny Addie nicht gerade gerne in Kindheitserinnerungen geschwelgt hat.» Clemmie kniff abrupt die Augen zu, entsetzt über sich selbst. «Ich meine, schwelgt. Mist. Schwelgt natürlich.»
    Jon zog eine Braue hoch. «Hast du sie jemals etwas gefragt? Über ihr Leben? Oder ihre Jugend?»
    «Ich bin eine fürchterliche, egozentrische, undankbare Enkelin und komme direkt in die Hölle», sagte Clemmie zähneknirschend. «Du hast ja recht. Sie stirbt, und ich benehme mich unmöglich.»
    «Clemmie …» Jon fuhr sich mit der Hand durch das Haar. «Es tut mir leid. So habe ich das nicht gemeint. Ehrlich.»
    Sie spürte die Spannung zwischen ihnen, voll alter Rivalitäten und Komplikationen. Und, wenn sie ehrlich war, alten Zaubers. Sie spürte zwischen ihnen die Schatten derer, die sie einmal gewesen waren, einundzwanzig und furchtlos.
    Das war vor langer Zeit gewesen. Vor Dan. Vor Caitlin. Vor alldem hier.
    Clemmie trat einen schützenden Schritt zurück, atmete durch die Nase, wendete all die Tricks an, die sie sich angeeignet hatte, um bei schwierigen Verhandlungen ruhig zu bleiben. «Tut mir leid, dass ich eben so hochgegangen bin, aber ich war nicht darauf vorbereitet, wie stark sie sich verändert hat.»
    «Ja», sagte Jon. «Ich weiß, was du meinst.»
    Einen Moment standen sie sich schweigend gegenüber, verbunden durch gemeinsame Erinnerungen. An Granny Addie, die ihnen beiden eine liebevolle Großmutter gewesen war, dafür gesorgt hatte, dass sie ihre Hausaufgaben machten, rechtzeitig ihre Studienbewerbungen einreichten.
    «Weiß Tante Anna etwas?», fragte Clemmie drängend. «Über ihren Zustand, meine ich? Sie hat gesagt, sie müsste mir etwas erzählen.»
    «Darum geht es nicht», sagte Jon schnell. «Es ist nichts dergleichen.» Er räusperte sich. «Möchtest du vielleicht einen Kaffee oder so was? Ich weiß, wo Anna ihren speziellen Kaffee aufhebt.»
    «Nein, nein, ist schon okay. Ich hole mir in der Kanzlei einen aus der Maschine. Er ist zwar nicht besonders gut, aber immerhin gibt es ihn.» Clemmie blickte den Flur entlang. «Ich sollte jetzt wahrscheinlich sowieso gehen. Sagst du Tante Anna, dass ich hier war? Ehrlich, ich weiß nicht einmal, warum ich überhaupt hergekommen bin.»
    Vor allem, um Mutter zu ärgern. Besonders nobel war das nicht, aber so war es nun einmal.
    «Gestern Abend war schlimm», sagte Jon ruhig. «Für alle. Anna nimmt normalerweise keine Schlaftabletten.»
    «Was machen wir, wenn sie stirbt?» Clemmie hatte nicht vorgehabt, das zu sagen, aber nun standen die Worte nackt und kalt im Raum. Sie blickte zu ihren Händen hinunter. «Und du hast recht. Ich weiß nichts über sie. Ich habe nie daran gedacht zu fragen.»
    «Sie hat aber von sich aus auch nichts gesagt», sagte Jon.
    Clemmie schnitt eine Grimasse, während sie versuchte ruhig zu bleiben. «Bist du jetzt etwa
nett
zu mir?»
    «Gewöhn dich nur nicht dran.» Jon sah sie einen Moment lang mit schräg geneigtem Kopf nachdenklich an. Dann sagte er: «Darf ich dir was zeigen?»
    «Kommt drauf an, was es ist.»
    «Keine Angst», sagte Jon. «So ein Glück hast du nicht.» Clemmie prustete spöttisch. Jon machte eine kurze Kopfbewegung zur Seite. «Hier lang.»
    Sie folgte ihm in ein Zimmer, das aussah wie ein Arbeitszimmer, mit eingebauten Bücherregalen in dunklem Holz, einem weichen Sessel in der Ecke und einem Tisch, der auch als Schreibtisch dienen konnte. Im Moment fungierte der Raum offensichtlich als Gästezimmer. Clemmie vermied es, zu den zerwühlten Laken auf der Schlafcouch zu sehen. Das war ihr merkwürdigerweise zu intim. Jons schlichter schwarzer Rollkoffer, über einem

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