Ashton, der Heißbluetige
unter Verbeugungen zurück, dann schlurften sie durch die Tür nach draußen.
Fia drehte sich um und entdeckte ihn, zögerte eine Sekunde. Etwas Helles glitzerte in ihren schwarzen Augen, und dann schwebte sie anmutig auf ihn zu. Einen Augenblick lang sah sie wie Janet aus. Ihn durchlief ein Schauder.
„Was wollten diese Männer?“ fragte Carr, als sie bei ihm angekommen war.
„Sie haben ungefähr fünfzehn Meilen westlich von hier eine Leiche gefunden“, erwiderte sie gleichmütig, „auf dem Festland.“
„In den Bergen?“
„Ja.“
„Und?“ wollte Carr wissen. „Was ist damit?“
„Es handelte sich ganz offensichtlich um einen Mann von Stand. Seine Kleider, oder besser, was davon übrig ist, sind von bester Qualität, und er trug eine teure Perücke.“
Das konnte nicht die ganze Geschichte sein. „Ja?“
„Es sieht so aus, als wäre er von einem Wolf angefallen worden.“
„Unmöglich.“ Carr schnaubte abfällig, und sein Interesse
an der Geschichte verflüchtigte sich rasch. „Es hat schon seit über hundert Jahren keine Wölfe mehr in Schottland gegeben.“
„Wie Ihr meint.“
Er begann sich abzuwenden, um seinen Weinkellermeister zu suchen, aber etwas an dem selbstgefälligen Gehabe seiner Tochter weckte seinen Argwohn. Sie war immer so kühl gewesen wie eine wunderschöne Eisprinzessin. Jetzt war sie auch so hart wie Eis. Und nicht länger kühl, sondern kalt. Die Art von Kälte, die brennt. „Was haben sie gesagt, wer der Mann war?“
„Edward St. John.“ Sie schaute unverwandt auf sein Gesicht, so eindringlich und undurchschaubar wie eine Katze. „Ihr seht beunruhigt aus. Habt Ihr ihn gekannt? Ach ja. Ich erinnere mich. Er war letztes Jahr hier, nicht wahr? Er hat eine Menge Geld an Euch verloren. Geld an Euch zu verlieren muss der sicherste Weg zu Eurem Herzen sein, denn meiner Treu, Vater, Ihr seid blass geworden bei dieser Nachricht.“
„War er alleine?“ verlangte Carr zu wissen.
„Ganz und gar alleine.“
Der verdammte, dumme Stümper. Er, Carr, hatte ihm gewissermaßen dieses Russell-Frauenzimmer auf einem Präsentierteller gereicht. Er verdiente den Tod. Jetzt musste er einen neuen Plan fassen, bevor Russell hier eintraf, eine neue Marionette finden, an deren Fäden er ziehen konnte . . .
„Ich frage mich, warum er in diesen Bergen allein unterwegs war?“ Fia lächelte.
Sie spielte mit ihm! Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Das unverschämte Ding. Wie konnte sie es wagen? Zornesröte stieg ihm in die Wangen. Er presste die Lippen zusammen, fuhr herum und begann sich zu entfernen.
„Vater?“
Er blickte sich um. Sie stand genau da, wo er sie verlassen hatte, die Hände locker vor dem Schoß verschränkt.
„Was ist?“
„Ich habe vergessen, es Euch früher zu erzählen, aber letzte Nacht ist ein Bote mit einer Nachricht für Euch eingetroffen. “
Er runzelte die Stirn. „Wie lautet sie, Fia?“
„Es war eine Nachricht von einem Mr. Ian Russell.“ Sie legte ihren Kopf schief. „Ich kann mich an niemanden mit dem Namen Ian Russell erinnern. Und dabei habe ich ein gutes Namensgedächtnis.“
Russell. Nein! Er sollte doch nicht vor dem Spätsommer hier ankommen!
Carr schlug das Herz bis zum Hals. Ein dumpfer Schmerz breitete sich rasend schnell in seiner Seite aus. Ihm wurde der Hals eng, und seine Fingerspitzen kribbelten. Sein Blut begann zu wallen und schoss ihm zu Kopf.
„Was?“ fragte er mit halb erstickter Stimme. Das Atmen bereitete ihm Schwierigkeiten. Seine Hände fühlten sich taub an. „Was ist mit Ian Russell?“
„Eine seltsame Botschaft“, erwiderte Fia bedächtig. „Verdammt, Fia“, keuchte er, „wie . . . lautet. . . sie?“
„Oh, nur etwas in der Art, dass die politische Lage im Augenblick nicht günstig ist zum Segeln und dass er seine Reise bis auf weiteres aufschieben muss. Ist das nicht merkwürdig?“ Carr schloss die Augen. Erleichterung erfasste ihn, aber der Preis seines augenblicklichen Entsetzens war hoch. Die eiserne Klammer, die sich um seine Brust geschlossen hatte, lockerte ihren Griff nur langsam, das Gefühl kehrte nur allmählich in seine Fingerspitzen zurück. Als er schließlich die Augen wieder aufschlug, war Fia fort.
Le Havre, Frankreich,
Juli 1760
Es war ein hübscher kleiner Gasthof, noch recht neu und beinahe ganz sauber, besonders das Privatzimmer, in dem der dunkelhaarige junge Mann die hübsche junge Frau untergebracht hatte. Die Wirtin, eine überaus praktisch
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