Asmoduin: Nervensäge aus der Hölle
weiter.
»Wohin bringen die ihn?«, erkundigte ich mich bei dem Schrank und nickte in Richtung des anfahrenden Notarztwagens. »Kann ich ihn besuchen?«
Der Walrossbärtige lachte prustend. »Besuchen? Den? So wie ich das sehe, wird es Wochen dauern, bis der wieder zurechnungsfähig ist. So lange werden sie ihn in der Klinik schön unter Verschluss halten, ruhiggestellt mit Medikamenten.«
Wochen?
Ich spürte, wie mir die Beine weich wurden.
»Deinen Namen, Junge«, wiederholte der andere. »Und deine Adresse. Wir brauchen die Daten seiner Angehörigen, um …«
Unvermittelt erhob sich ringsum ein ohrenbetäubendes Heulen. Die Polizisten wirbelten herum und ich mit ihnen.
Die Leuchten auf dem Dach des Polizeiwagens hatten begonnen, sich hektisch im Kreis zu drehen. Die Sirene heulte wie verrückt, die Warnblinkanlage flackerte hektisch.
»Verdammt, Fred! Was …?«, stieß der Schrank hervor.
Bevor die verdutzten Beamten reagieren konnten, trat auch die Signalanlage des Feuerwehrbusses in Aktion. Eine zweite Sirene gellte los, so laut, dass ich mir die Hände auf die Ohren drücken musste. Wild rotierten die blauen Leuchten über dem Führerhaus.
Mit stampfenden Schritten setzte sich der Schrank in Bewegung. Der Beamte mit Namen Fred folgte ihm irritiert. Keiner von ihnen sah den kaum metergroßen Teufel, der grinsend aus der Beifahrertür des Fahrzeugs schlüpfte und über den Gehsteig davonschlenderte.
In dem Tumult achtete zum Glück auch niemand mehr auf mich. Ich schob mich unauffällig um die nächste Ecke und begann zu laufen, bis ich mehrere Straßen zwischen mich und die Beamten gebracht hatte. In der Ferne verstummte erst die eine, dann auch die andere Sirene.
»Zehenfäule und Blinddarmdurchbruch!«, freute sich Asmoduin und schloss zu mir auf. »Ihr baut ja tolle Spielereien in eure Kutschen ein.«
Ich verkniff mir einen Kommentar. Immerhin hatte mich Asmoduins Eingreifen vor Freds unbequemen Fragen gerettet. »Eine riesengroße, schwarze Gestalt mit Hörnern, dampfenden Schwingen und schrecklichen Augen«, wiederholte ich Sekundus’ letzte Worte. »Sagt dir das irgendwas?«
Asmoduin runzelte die rote Stirn. »Könnte ein Magmadämon gewesen sein.«
»Ein Magmadämon?«
Mein Gegenüber nickte oberlehrerhaft. »Ein Magmadämon, Schwabbel. So genannt, weil er aus glutflüssiger, nur an der Oberfläche erkaltender und dabei schwarz verkrustender Magma besteht. Capito?«
Nur wenige Tage zuvor hätte ich jeden ausgelacht, der mir von einer Kreatur aus flüssigem Gestein erzählte.
Heute lagen die Dinge anders.
»Magmadämonen sind wahre Kampfmaschinen«, fuhr Asmoduin fort. »Die mächtigsten Krieger, die wir in Hel haben. Man erzählt sich, dass irgendwann in biblischen Tagen ein einziger Magmadämon ein ganzes Heer von Sterblichen niedergemacht haben soll. Dreitausend Mann, er ganz allein. Das waren noch Zeiten!«
»Was hat so ein Monstrum hier an der Oberfläche verloren?«
Asmoduin zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat sich jemand mit den Mächtigen Hels angelegt und ist ihnen jetzt ein Dorn im Auge. Wäre nicht das erste Mal, dass ein Killer zur Liquidation eines unbequemen Typen abgestellt wird. Im Mittelalter kam das regelmäßig vor, da wurden am laufenden Band irgendwelche Heiligen abserviert. Wenn ich in Geschichte besser aufgepasst hätte, könnte ich dir ein paar Namen nennen …«
»Aber was wollte so ein Monstrum ausgerechnet in Sekundus’ schäbigem Laden?«
»Was weiß ich? Vielleicht hat dein grauhaariger Kumpel mit der Recherche in seinen komischen Büchern einen von meinen Leuten geärgert? Hat aus Versehen einen Beschwörungsspruch laut vorgelesen und den Dämon gezwungen, sich hier oben zu manifestieren? Das kann ganz schön nerven. Stell dir vor, du hast gerade die Eissauna angeschmissen, um ein paar Stunden so richtig zu frieren, da kommt irgend so ein Oberweltler auf die Idee, einen Bannspruch abzufackeln. Schon saugt es dich mit unwiderstehlicher Macht nach oben, und du musst …«
»Du meinst, dieser Dämon könnte den Auftrag gehabt haben, Sekundus
umzubringen?
«
Asmoduin schüttelte den Kopf. »Wenn er den Alten auf dem Kieker gehabt hätte, wären von ihm und seinem Haus jetzt nur noch ein paar verkohlte Krümel übrig.«
»Also muss er auf etwas anderes aus gewesen sein.« Ich grübelte eine Weile vor mich hin, ohne zu einer Lösung zu gelangen. »Egal. Sekundus kann uns jedenfalls bis auf Weiteres nicht mehr helfen.«
Der kleine Teufel nickte und
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