Assassino
Beinen und musste sich an der Felswand abstützen.
Sein Gesicht wurde ernst. »Du hast sie gehört. Es gibt vielleicht noch andere. Sie werden ihr weiterhin zu Diensten sein.«
»Aber ist sie denn nicht tot?«
»Du hast gesehen, was passiert ist. Vielleicht war das ihr Ende, vielleicht auch nicht.« Er legte die Hände auf ihre Schultern und blickte ihr in die Augen. »Danke, dass du gekommen bist.«
Sie spürte die Wärme und die Kraft, die durch seine Hände in ihren Körper floss. Auch seine Augen kamen ihr nicht mehr so unergründlich vor wie bei ihrer ersten Begegnung. Sie wusste jetzt, was sich dahinter verbarg.
Von ihr aus hätten sie stundenlang so stehen bleiben können. Doch viel zu schnell wandte er sich ab. »Es ist noch nichtvorbei. Ich muss das Amulett zurückzubringen, wie Tamar es gesagt hat.«
»Aber warum?« Kati verstand nicht, warum er das sagte. »Du lebst. Du bist frei. Du kannst ein ganz normales Leben führen.«
Er drehte sich zu ihr um. »Und was habe ich davon? Ich werde für immer durch die Zeiten irren und nirgendwo zu Hause sein. Die, die ich liebe, werden sterben. Nur ich bleibe übrig, für immer in diesem Körper gefangen, der nie auch nur einen Tag altern wird!«
Katis Herz machte einen Satz: Er hatte von
Liebe
gesprochen. Konnte er sie damit meinen? Aber dann warf sie einen Blick in sein gequältes Gesicht. Wie konnte sie nur so selbstsüchtig sein!
»Dann war also alles umsonst?«, fragte sie entmutigt.
Ilyas nahm ihre Hand. »Nein, das war es nicht. Der erste Schritt ist getan, weil du mir geholfen hast. Aber die nächste Aufgabe muss ich allein lösen. Dabei kannst du mir nicht helfen.«
Was wollte er damit sagen? »Warum nicht?«, rief sie.
»Weil ich nicht möchte, dass dir etwas geschieht. Du hast schon genug für mich getan.«
»Aber ich
will
dir helfen!«
Er zog seine Hand weg und wandte sich ab. »Lass uns später darüber reden.«
Mit einem Mal war die Verbundenheit zwischen ihnen, die sie soeben noch empfunden hatte, dahin. Vor ihr stand wieder der Ilyas, wie sie ihn kannte: dickköpfig, schweigsam, in sich gekehrt.
Resigniert folgte sie ihm aus der Höhle und wortlos traten sie den Rückweg durch den Wald an. Wo vorhin noch tiefes Schweigen geherrscht hatte, war jetzt ein umso lebhafteres Vogelkonzert zu vernehmen. Die Sonne zeichnete ein Muster auf den Weg, die Luft war frisch und roch leicht würzig, und unter anderen Umständen hätte Kati diesen Spaziergang sicher genossen.
Sie hatte Ilyas befreit.
Aber frei war er trotzdem nicht.
Und glücklich auch nicht.
Sie warf von der Seite einen Blick auf sein unbewegtes Gesicht. Was mochte in seinem Kopf vorgehen? Welche Pläne schmiedete er jetzt?
Und dann war da noch eine Sache, die an ihr nagte.
»Habe ich das vorhin richtig verstanden? Tamar hatte dir aufgetragen, ihr die Fibelscheibe zu bringen?«
»Das stimmt.«
»Deshalb hast du mich also begleitet?«
»Ja.« Die Antwort kam ohne Zögern.
Und traf Kati mitten ins Herz.
Wie hatte sie sich nur einbilden können, er könnte mehr in ihr sehen als nur ein Werkzeug, das er benötigte, um sein Ziel zu erreichen? Und wie konnte sie von ihm erwarten, dieselben Gefühle für sie zu empfinden wie sie für ihn?
Diese und andere Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, als sie auf die Lichtung traten, auf der Kati ihre Begleiter zurückgelassen hatte. Paolas Mini war verschwunden. Stattdessen stand ein Geländewagen neben Mustafas Van. Von Paola, Seamus und Mustafa war nichts zu sehen.
Kati erstarrte. Ein Mann trat hinter dem Van hervor. Er schob Seamus vor sich her, dessen Hände auf dem Rücken gefesselt waren, und drückte ihm den Lauf eines Revolvers an den Kopf. Hinter ihm kam ein zweiter Mann zum Vorschein. Er war hochgewachsen, hatte volles Haar und einen schmallippigen Mund.
»Frau Bergman, nehme ich an?«, lächelte er freudlos.
»Allerdings. Und Sie?«
»Muller ist mein Name, Karol Muller. Ich vermute, Sie haben schon von mir gehört.«
Muller! Der Erzfeind ihres Vaters! Wie hatte der den Weg hierhin gefunden? War er ihnen gefolgt? Oder war das Ganze ein neuer Trick von Seamus?
Ilyas’ Hand glitt langsam an seiner Seite herab.
»Ich würde Ihrem Freund davon abraten, sein Messer zu ziehen«, rief Muller. Er deutete zur anderen Seite, wo ein zweiter, ebenfalls bewaffneter Mann, Mustafa hinter dem Van hervorzerrte. »Uns alle drei wird er nicht ausschalten können. Und Sie wollen doch nicht das Blut Ihrer Freunde an den Händen haben,
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