Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
waren. Mehr nicht. Dieser Zwerg jedoch, dieser tätowierte, grobschlächtige Geächtete, wirkte beinahe, als vermochte er sogar einen Zweikampf mit dem Ewigen Schmied zu überleben. Und darum konnte der Gläubigste aller Gläubigen nicht länger an sich halten.
»Und um der Götter willen, Drachenjäger, seid ehrlich mit mir, denn diese Frage stellt euch die Stimme der Götter, und eure Antwort bedeutet mehr, als ihr vielleicht ahnt.«
Garstholm Flammrank blickte den Hohepriester sehr ernst an. »Hör zu, Zwerg, dass deinesgleichen meinen Worten nicht traut, bin ich gewohnt. Aber es ist, wie ich sage. Ich schaute einen Immerflamm! Und einzig dass ich gut tausend Zwerg von ihm entfernt war, rettete mein Leben. Ja, Alter, ich habe einen gesehen. Und auch wenn der Neidwurm dein Gemüt zerfrisst, die Götter haben mich auserwählt, ihm zu begegnen. Nicht dich.«
Er riss sich los und verließ mit verbissenem Gesichtsausdruck die privaten Gemächer des Allereinzigsten. Dieser folgte ihm kopfschüttelnd in einigem Abstand. Er konnte und wollte es einfach nicht glauben.
Und dann betrat der Schicksalszwerg die Orakelhöhle.
Abgesehen von Schleuderstein, der die Gemächer des Hohepriesters nicht eher verlassen wollte, bis er sich nicht davon überzeugt hatte, dass dieser tatsächlich keine Frauen darin versteckt hielt. Er war sich sicher gewesen, dass hier irgendwo welche sein mussten. Es musste schließlich einen Grund haben, dass für gewöhnlich niemand hier herein durfte. Aber offenbar hatte der pfiffige Schweinehund sie zu gut versteckt. Selbst auf den zweiten Blick entdeckte er nichts und beschloss darum, erst einmal das Imperium zu retten und später noch einmal wiederzukommen, um die Wände abzuklopfen.
Die Tatsache, dass gewöhnlich nur der Höchste der Hohen die Orakelhöhle betreten durfte, war inzwischen außer Kraft gesetzt. Schließlich war er eins mit den anderen Mitgliedern des Schicksalszwergs, die somit auch Teil von ihm und darum jeder ein Stück weit Hohepriester geworden waren. Aus einem Verschlag neben dem Höhleneingang nahm die Stimme der Götter drei Käferstäbe. Einen reichte er dem Drachenjäger, einen dem Ferkelbändiger, und den letzten behielt er selbst. Dann eilten sie, gefolgt von Schleuderstein, der inzwischen zu ihnen gestoßen war, über die Treppe auf die Empore.
Den Höchsten schauderte, als er in die Orakelhöhle hinunterblickte. Die Dämonen hatten furchtbar gewütet. Einige Runensteine waren verschwunden, manche zersplittert, und zwischen ihnen lag der Kadaver des letzten Olms in einer dunklen Blutlache. Dem Höchsten kam wieder das Bild der Splitterspinne in den Sinn, die ihre schartigen Beißwerkzeuge in das weiße Fleisch des Tiers schlug, und er wandte sich ab.
»Wir müssen dort hinunter.«
Wortlos schwangen sich die Zwerge einer nach dem anderen in die Wand, allen voran Garstholm Flammrank, und begannen zu klettern.
Der Hohepriester und sein Gedächtnis standen noch auf der Empore, während der Drachenjäger, Blechboldt und Schleuderstein bereits die Hälfte der Felswand hinuntergeklettert waren. Fazzgadt hatte sich gerade den Gierling in den Nacken gesetzt und wollte ihnen folgen, als sie ein Geräusch hörten. Ein leises, helles, beinahe tonloses Zischen. Ein hässliches Geräusch, wie kein Tier und kein Zwerg es hätten hervorbringen können. Die wenigen, die es kannten, erschraken. Es war das Geräusch von Glut, die sich an einem Faden aus gewachster Wurzellunte voranfraß. Und derartige Lunten endeten für gewöhnlich in kleinen Fässchen mit Sprengkäfern und Petroleum. Sprengstoff aber war in den Gängen des Imperiums bereits so lange verboten, dass nur der Drachenjäger und der Allerhöchste das Geräusch überhaupt erkannten. Die übrigen Zwerge waren zu jung dafür, und das Gedächtnis hatte zu schlechte Ohren.
Die Dämonen wollten den geheimen Gang sprengen!
»Wo ist der Eingang?«, schrie Flammrank zum Hohepriester hoch.
»Zu deiner Rechten. Etwa drei Zwerg entfernt befindet sich ein Vorhang aus Felsnessel!«
Die übrigen Zwerge schauten sich verwundert an. Sie spürten, dass etwas nicht stimmte. Mehr als ohnehin schon. Mit einem merkwürdigen Gefühl im Bauch kletterten sie langsam weiter hinab, und der Gierling begann, auf Fazzgadts Haaren herumzukauen.
Flammrank stieß sich von der Wand ab und landete mit einem dumpfen Aufprall seitwärts im Sand, direkt auf seiner Schulter. Er biss die Zähne zusammen. Die Lunte zischte weiter. Er wusste nicht, wie
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