Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
zu müssen. Aber selbst das hätte er zur Not überstanden. Schweißausbrüche, Schüttelfrost und ein Tag ohne Bewusstsein. Schlimmer wurde es meist nicht. Wirklich problematisch wäre es erst geworden, wenn jemand anders aus seiner Flasche getrunken hätte. Mit Hilfe seines speziellen Rezeptes, dessen Zutaten er ständig bei sich trug, konnte Blechboldt jedenfalls Wasser innerhalb kürzester Zeit in Falschbier verwandeln.
In dieser Runde hatte er jedenfalls alles gesagt, was er zu sagen hatte. Er hatte die Häuptlinge vor den Verschwörern gewarnt. Mehr konnte er nicht tun. Schließlich wollte er sich nicht allzu verdächtig machen. Darum war er, um nicht aufzufallen, inzwischen auch wieder dazu übergegangen, betrunken zu spielen.
Der neben ihm sitzende Fazzgadt biss sich auf den Bart und sinnierte schweigend darüber, wie er das falsche Ei doch noch loswerden könnte, ohne sich unnötig Ärger einzuhandeln. Letztlich war die Tradition mitunter ein ebenso großes Ärgernis wie der Aberglaube. Die Vorstellung, einen grünen Gierling großzuziehen, behagte ihm jedenfalls wenig, und zum ersten Mal in seinem Leben war er der Meinung, dass die zwergischen Gesetze in manchen Fällen weniger streng sein könnten.
Hrudgroll Schleuderstein saß derweil noch immer mit verschränkten Armen da und knirschte derart mit den Zähnen, dass es jedem Steinbrecher Ehre gemacht hätte. Seine Zeit aber würde kommen. Dessen war er sich sicher. Sie würden ihn noch anflehen, sein Wissen mit ihnen zu teilen!
Als der Große Verwalter in Begleitung des Allerpriesterlichsten und seines Gedächtnisses wenig später wieder an der steinernen Tafel Platz nahm, war die Stimmung dort nicht besser geworden. Einige Diener hatten Wurzelholz nachgelegt, und das niemals verlöschende Feuer prasselte in dem umlaufenden Kamin so hell und warm wie eh und je.
Der Verwalter räusperte sich, und die Blicke der Anwesenden hoben sich vom Bier. »Häuptlinge, Herren der Häuser, Zwerge!«
Seine Stimme klang fest wie Fels, und Hoffnung keimte in den Anwesenden auf, dass die Hand der Götter sich zur Faust ballen und alles Übel mit einem Schlag zerschmettern würde.
»Gemeinsam mit dem Hohepriester habe ich mich zurückgezogen, um den Rat der Götter einzuholen. Und wisset, sie sprachen bedeutsam zu uns. Eine beinahe vergessene Prophezeiung verheißt uns Erlösung!«
Auf sein Zeichen erhob sich der Verkünder alles zu Verkündenden. »Der Verwalter spricht wahr. Eine Prophezeiung, beinahe in Vergessenheit geraten und alt wie das Imperium selbst, fand ihren Weg zurück in mein Bewusstsein, da ich den Rauch der Götter einatmete.«
Schweigen. Staunen.
»Es werden kommen vier. Sie werden erscheinen aus dem Nichts und Kunde bringen von Übeln, die gemeinsam sind das Größte. Diese vier sind einer. Ein Zwerg, der…«
In diesem Augenblick wurde mit einem lauten Knall die Tür zum Saal aufgerissen. Ein Gardist flog in hohem Bogen herein und landete krachend zwischen den Krisenkrügen. Dann war lautes Fluchen zu hören.
»Verdammte Axt, Felsräude und Bohrbruch! Ihr werdet mich nicht veralbern, ihr jämmerlichen Dreckschürfer! Ihr nicht! Und euer verwanzter Verwalter genauso wenig!«
Dann erschien ein mächtiger Schatten in der Tür, dessen Größe daher rührte, dass zwei Gardisten sich an den dazugehörigen Zwerg klammerten und ihn aufzuhalten versuchten. Wie schon den einen zuvor schüttelte er auch diese beiden ab und kam zur Stirnseite der Tafel geschritten. Er war von Kopf bis Fuß tätowiert, und zwischen seinen Tätowierungen waren einige Narben zu sehen, die von riesigen Pranken gerissen zu sein schienen. Ein Zwerg, der aus nichts anderem als Muskeln, Narben und Bildern bestand. Das Seltsamste an ihm aber war das Stammeszeichen, das er stolz auf der Brust trug. Es war das Zeichen des Sandes und er offensichtlich ein Entzwergter.
Er hielt sich nicht lange damit auf, sich umzuschauen. Wütend schleuderte er einen kleinen Lederbeutel in Richtung des Großen Verwalters, richtete den Zeigefinger auf ihn und blaffte ihn an: »Du erzloses anmaßendes Stück Zwerg!«
Der Lederbeutel knallte gegen die Lehne des Stuhls, auf dem der Verwalter saß, und fiel polternd zu Boden. Zwei Brocken Gold schimmerten aus seinem Inneren hervor.
Der Verwalter zeigte keine Regung. Stattdessen beugte er sich kurz in Richtung des Allerpriesterlichsten und raunte ihm leise zu: »Mach fünf draus.«
Der Verkünder scherte sich nicht weiter um den narbigen
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