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Astrella 02 - Brudernacht

Astrella 02 - Brudernacht

Titel: Astrella 02 - Brudernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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stehen, seine Arbeit aufgeben und mich heiraten. Natürlich gab es auch noch eine andere Möglichkeit: Ich könnte mein Kind abtreiben lassen. Doch zum einen war die Kindstötung damals noch nicht so selbstverständlich wie heute. Und zum anderen dachte ich nicht eine Sekunde lang daran, mein Kind zu töten, ja, zu ermorden, das ich von dem Mann empfangen hatte, den ich über alles liebte. Bertram war zum ersten Mal hilflos. Er, der sonst allen Menschen helfen und jedes Problem lösen konnte, wußte jetzt, wo es um unser Glück und unsere Zukunft ging, nicht weiter. Er zog sich zurück, beachtete mich nicht, sein Lachen verstummte, und doch spürte ich, dies war keine böse Absicht, sondern sein Bemühen, eine Lösung zu finden. Ich selbst war völlig durcheinander. Ich heulte stundenlang und getraute mich kaum mehr aus dem Haus, weil ich befürchtete, die Leute könnten meinen Zustand erkennen. So naiv war ich damals.
    Schließlich, drei Wochen später, fuhr ich zu Dr. Klimnich und vertraute mich ihm an. Doch da erlebte ich meine erste Überraschung: Er erklärte mir, Bertram sei bereits bei ihm gewesen und hätte ihm von der ganzen Sache erzählt. Obwohl seit diesem Gespräch eine Woche vergangen war, hatte Bertram mir keinen Ton davon gesagt. Der Grund dafür wurde mir rasch klar. Dr. Klimnich sagte mir, er und Bertram seien übereingekommen, daß eine Abtreibung, so schwer sie auch fallen würde, das Beste sei. Ich weiß noch ganz genau, als wäre es erst gestern gewesen, wie ich dastand und ihn anstarrte, als wäre er der größte Verbrecher auf Erden. Allein deshalb, weil er es wagte, mir diesen Vorschlag überhaupt zu machen. ›Nein!‹, sagte ich ganz leise, drehte mich um und verschwand.
    Am nächsten Tag stellte ich Bertram zur Rede. Ich machte ihm die heftigsten Vorwürfe, die er alle regungslos über sich ergehen ließ. Zum Schluß tat er mir leid. Ich weiß nicht mehr, was ich ihm alles an den Kopf geworfen habe, aber es waren schlimme Dinge. Er versuchte mir klarzumachen, er sei mit Dr. Klimnichs Vorschlag nur deshalb einverstanden gewesen, weil er selbst keine Lösung gesehen habe. Und auch Dr. Klimnich habe diesen Vorschlag nur schweren Herzens gemacht, um ihm, seinem alten Freund, zu helfen. Ich glaubte ihm und fragte ihn, wie es nun weitergehen solle. Denn die Zeit drängte. Er wollte mir sein Vorhaben noch nicht verraten, weil er zuvor ein paar Gespräche führen mußte.
    Drei Tage später war es soweit. Bertram redete drei lange Stunden mit mir. Das Ergebnis sah so aus: Er würde sobald als möglich seinen Beruf aufgeben. Bis dahin würde unser Kind in einem katholischen Kinderheim untergebracht. Allerdings bräuchte man für die Unterbringung eine Art Attest, aus dem hervorginge, ich selbst sei damit einverstanden, weil ich mich aufgrund der Umstände außerstande sähe, für mein Kind zu sorgen. Sein Freund Klimnich hätte sich bereiterklärt, dieses Attest zu schreiben. Weiterhin müßte ich sofort in das Kloster gehen, dem das Heim angeschlossen sei. Damit die Öffentlichkeit erst gar nicht etwas davon erfahre. Sonst würden sich die Behörden einschalten. Und wenn das passiere, würde mir innerhalb von wenigen Tagen das Sorgerecht entzogen und ich hätte mein Kind für alle Zeiten verloren. Ich selbst sollte kurze Zeit nach der Entbindung das Kloster wieder verlassen und mir eine Wohnung suchen. Ich habe das alles geglaubt, denn damals war die Zeit eine andere. Es gab genug Fälle, bei denen alleinstehenden Müttern das Sorgerecht für ihr Kind entzogen wurde, ohne lange zu zögern. Es gab noch keine Emanzipationsbewegung und kein Mutter-Kind-Modell oder Ähnliches. Die jungen Mütter, die heutzutage über ihre Situation klagen, haben keine Vorstellung davon, wie es damals zuging. Und ich war sehr naiv. Entscheidend war jedoch meine Angst, mein Kind für alle Zeiten zu verlieren. Sie durften meinetwegen alles mit mir machen, nur mir nicht mein Kind wegnehmen. Also stimmte ich zu. Allerdings nur unter der Bedingung, Dich regelmäßig besuchen zu können.
    Alles wurde wie besprochen arrangiert. Mir wurde damals zum ersten Mal klar, wie mächtig die Kirche tatsächlich ist, denn immerhin ließ man einfach ein Kind verschwinden. Aus ihrer Sicht lief auch alles nach Plan. Nicht jedoch nach dem unsrigen: Bertram konnte sich nicht von seiner Berufung lösen; er hatte nicht die Kraft dazu. Wir haben uns einige Male in den folgenden Jahren heimlich getroffen. Er hat es mir nie direkt so gesagt, aber

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