Astrella 02 - Brudernacht
Gartenhaus. Ein Kollege vom Revier hatte Maxi seine Dienstjacke über ihre Schultern gelegt. Darunter trug sie das zerrissene Shirt sowie ihre Jeans. Ohne Zögern kamen beide auf Astrella zu.
»Dankeschön für Ihre Hilfe«, ergriff Maxi das Wort. Astrella sah, dass sich auf ihrem linken Auge ein hübsches Veilchen zu entwickeln begann.
»Ich habe Ihnen zu danken«, erwiderte er. »Vor allem Ihnen, Micha. Ohne Sie wäre es für Ihre Freundin und mich übel ausgegangen.«
Damit hielt er Micha seine rechte Hand hin, auch wenn ihn sofort ein heftiger Schmerz durchzuckte. Micha zögerte kurz, irgendwie schien es ihm peinlich zu sein, dann erwiderte er den angebotenen Handschlag.
Hinter ihnen entstand Bewegung. Ein Polizist forderte die Mitglieder der Bande auf, in den Kombi zu steigen. Ihre Hände waren mit Handschellen auf den Rücken gefesselt. Maxi sah es, warf Astrella einen schnellen Blick zu und flüsterte ihm dann etwas ins Ohr. Dieser lachte.
»He, Jungs, könntet ihr bitte noch kurz warten?«
Die Blicke aller Anwesenden, inzwischen knapp dreißig Personen an der Zahl, fuhren zu ihnen herüber.
»Die Frau hier möchte den Jungs noch ihre Meinung sagen, bevor Ihr sie einsackt.«
Die Beamten, die sich bei der Bande aufhielten, schauten Zillmann fragend an. Der begriff schnell.
»Lasst sie nochmals Aufstellung nehmen!«
»Danke«, sagte Maxi leise zu Astrella. Dann ging sie zum Kombi, wo Cash, Babyface und Snake wie Minuten vorher mit gespreizten Beinen nach vorne gebeugt am Kombi lehnten. Nur mussten sie sich wegen der Fesselung jetzt mit ihren Oberkörpern und Köpfen abstützen, was sie vollkommen wehrlos machte. Maxi trat von hinten an sie heran, bei Snake beginnend. Und dann riss sie dreimal ihr rechtes Knie hoch und jedes Mal gab es einen lauten schmerzerfüllten Schrei; danach lagen die drei Männer auf dem Boden und krümmten sich vor Schmerzen. Zufrieden lächelnd kam Maxi zurück und stellte sich neben Micha. Den Gesichtern der Polizisten und Ärzte nach zu urteilen, hatte auch nicht einer nur einen Funken von Mitleid mit den Dreien.
»Also, dann mal los, die Herrschaften«, übernahm Zillmann wieder das Kommando und stieg in sein Dienstfahrzeug. Astrella folgte ihm, auch wenn es ihm wegen seiner Verletzung schwerfiel. Zurück blieben die Kollegen von der Spurensicherung sowie zwei Streifenwagenbesatzungen zur Tatortabsicherung.
31
Als es klingelte, wusste Lydia Emmel sofort: Es war vorbei. Außer durch Slim und den Postboten war seit dem Tod von Maurus nur dreimal an ihrer Haustür geklingelt worden: Einmal hatte eine Frau sie um Auskunft wegen eines Hauses in der Straße gebeten, das zweite Mal ein Vertreter sie belästigt und das dritte Mal war es dieser angebliche Privatdetektiv gewesen.
Plötzliche Müdigkeit überfiel sie. Es hatte so kommen müssen, ihr Schicksal war von Anfang an auf dieses Ende hin ausgerichtet gewesen.
Es klingelte erneut.
Was sollte sie noch länger zögern? Das hätte genauso wenig einen Sinn, wie ihr Leben jetzt noch einen Sinn hatte.
Sie ging bedächtig zum Sideboard im Wohnzimmer, wo sie eine größere Schmuckschatulle herausnahm, öffnete und eine Halskette und eine Kapsel herausnahm. Dann schloss sie die Schatulle wieder und stellte sie auf dem Sideboard ab. Nachdem sie die Halskette umgelegt hatte, ging sie zur Haustür. Sie war vorbereitet. Der Gong ertönte zum dritten Mal.
Sie hatten bereits überlegt, ob sie die Tür eintreten sollten, als diese endlich geöffnet wurde.
Astrella nahm den Finger von der Klingel, als er das verhärmte Gesicht erblickte. Ihm fiel sofort die Halskette auf, die sie angelegt hatte. Sie schaute einen nach dem anderen an, ohne einen Ton zu sagen. Auch Astrella fiel nichts ein, selbst einen Gruß brachte er nicht zustande.
»Haben Sie den Hund gefunden?«, fragte sie schließlich und sah dabei Astrella in einer Weise an, die ihm klarmachte, dass sie wusste, warum sie tatsächlich gekommen waren.
»Kommen Sie herein«, bat sie die Männer endlich mit müder Stimme in ihr Haus.
Zillmann, der neben ihm stand, bedeutete Astrella mit einem Handzeichen, er solle vorangehen. Hinter ihnen folgten Manfred und der Notarzt, während Obst das Schlusslicht bildete.
Gleich darauf standen sie im Wohnzimmer. Im Gegensatz zu seinem ersten Besuch am Vormittag waren die Rollläden halb hochgezogen, alles im Raum war gut zu sehen. Erneut fiel Astrella der Hauch von Mief auf. Als er die Frau anschaute, glaubte er Resignation und
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