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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Grün von New Orleans. So grau wie unsere Erschöpfung. Meine Gelenke schmerzten ständig: Wir mußten durch das schwarze Herz eines Sturms fliegen.
    Ich habe diesmal das Transportmittel und die Technik gewechselt. Ich habe aus meinem Fehler bei Karin gelernt. Wie irritierend es doch ist, Naivität bei sich zu entdecken, selbst nach Jahren des Zynismus.
    Ich war trunken vor Erwartung. Unsere Verführung war lang und üppig, ein Fortschreiten vom Geistlichen zum Weltlichen. Ich saß mit Notebook und Handy im Patio der Patientin, wußte, sie nahm an, im Dialogverkehr mit einem Mann zu sein, der Tausende von Kilometern entfernt war, einem gesichtslosen Liebhaber, und ich hockte keine sechs Meter von ihr entfernt auf dem Boden.
    Ich schlich zu ihrem Fenster und beobachtete, wie sie ihre Antworten tippte. Kali massierte mich, während ich sie beobachtete, und ich ergoß mich auf das Blumenbeet. Ich frage mich, ob das FBI dort nachsehen wird. Ja, sie werdendort nach Fußabdrücken suchen, aber nicht nach Samen. Den werden sie genau dort finden, wo sie ihn erwarten, aber es wird natürlich nicht meiner sein.
    Ich konnte dem Drang nicht widerstehen, Rosalind zu sagen, daß ich dort war. Darin lag kein Risiko: Sie konnte nicht die Polizei anrufen, solange sie mit EROS verbunden war, und Kali war bereits im Haus. Das Entsetzen war absolut. Lähmend. Kali demonstrierte außerordentliche Selbstbeherrschung, sehr beruhigend nach dem Blutrausch von New Orleans. Und diesmal hinterließ ich eine Nachricht, eine Textstelle, die Du mir vor langer Zeit einmal vorgelesen hast:
     
    Die Grenzen meiner Geduld sind erreicht. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand; ich kann nicht weiter zurückweichen. Ich habe Gott gefunden, aber er ist unzulänglich. Ich bin nur geistig tot. Körperlich bin ich lebendig. Moralisch bin ich frei. Die Welt, die ich verlassen habe, ist ein Zwinger. Die Dämmerung bricht an über einer neuen Welt, einer Welt des Dschungels, in der die mageren Geister mit scharfen Klauen umherstreifen.
    Wenn ich eine Hyäne bin, so eine magere und hungrige: ich ziehe aus, um mich zu mästen.
     
    Ich weiß. Ich weiß. Aber ich bin’s leid, biologischen Abfall zurückzulassen. Warum sie nicht mit ein wenig geistigem Flair in die Irre führen? Das ist doch nur der Blödsinn, bei dem den Leuten in Quantico der Sabber aus dem Mund läuft. Es wird die einzige Datei sein, die auf Französisch geschrieben ist, aber trotzdem habe ich sie mit »Henri« gezeichnet. Subtilität ist bei der Polizei die reinste Verschwendung. Wenn sie es übersetzt haben, wird die Prozedur abgeschlossen sein. Heute abend die Laborarbeit. Ein Tag, um die nächste Patientin zu holen.
    Ein weiterer, um die müden Gelenke auszuruhen, die Finger zu beruhigen.
    Dann schneide ich mir den Weg frei nach Walhalla.

4
    D
rei Stunden konzentrierter Fahrt bringen mich über die Staatsgrenze von Louisana, wobei die Dämmerung links von mir anbricht und New Orleans noch einhundert Kilometer entfernt ist. Die letzten dreihundert Kilometer waren ein Zeitlupen-Stroboskop aus Dunkelheit und dem grellen Licht der Raststätten gewesen. In jeder anderen Nacht hätte ich den Highway 61 genommen. Das tun heutzutage nicht mehr viele Leute. Sie ziehen die Geschwindigkeit der Landschaft vor, und dazu war ich diese Nacht auch gezwungen. Die I-55 verläuft gerade wie eine Pipeline, und die meisten Reisenden darauf verschwenden keinen Gedanken an die älteren, indirekteren Verkehrsadern, die ein Stück westlich davon verlaufen: der Highway 61, eine historische Asphaltstrecke, gesäumt von versengten Schornsteinen, die wie Wachtposten unbefriedetes Land behüten; und hinter dem Uferdamm die Aorta des Kontinents, der kilometerbreite Flußlauf, den es schon gab, bevor der erste Mensch seinen Fuß hierher setzte, und den es noch geben wird, lange nachdem der Mensch wieder verschwunden sein wird.
    Aber in der anbrechenden Dämmerung kann ich mir nur die direkteste Verbindung zwischen zwei Punkten leisten. Auf dem Beifahrersitz neben mir liegt ein Aktenkoffer voll von lasergedruckten Seiten – Protokolle des Mörders, der seine Opfer verführt – und meine schönste Hoffnung auf Absolution in der Angelegenheit der sechs toten Frauen.
    Sieben, denke ich, als mir Karin Wheat einfällt.
    Bei La Place wechsle ich auf die I-10, um die letzten zwanzig Minuten nach New Orleans zurückzulegen. Die Augustsonne ist jetzt, um kurz nach acht, endgültig aufgegangen, und das flache, trübe Wasser des

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