Atemlose Begierde
eine gewisse
Strenge in sich bargen. Es lag eine quarzgraue, fast silbrig schimmernde
Seidenbluse vor mir, die hochgeschlossen war und eine verdeckte Knopflochleiste
hatte. Die Ärmel waren kurz und als Raglan gearbeitet. Dazu gab es ein Kostüm
aus sehr dunklem auberginenfarbenem Wollstoff, dessen Jacke kleine
Schulterpolster eingearbeitet hatte, eine Kapuze und wie die Bluse eine
verdeckte Knopflochleiste aufwies. Die zweite Garnitur war sehr ähnlich, nur in
Dunkelgrauschattierungen gehalten und entpuppte sich als Mantelkleid aus
hauchdünnem Rauleder. Es gab keine Ziernähte, alles war verdeckt gearbeitet und
bestach nur durch die Raffinesse des Schnittes und Materials. Dann entdeckte ich
zwei kleine Kartonboxen, in denen Wäsche lag. Das aubergine-dunkelgraue Thema
zog sich auch dabei durch, wobei mir neongelbe Nähte und Bänder ins Auge
stachen. Wollte er mich tatsächlich in einem geschnürten Korsett sehen? Wie
sollte ich je mit dem Schnüren allein fertig werden? Ich probierte beides an und
entschied mich bei knurrendem Magen für das graue darunter und die
auberginenfarbene Variante darüber. Die Kleider waren wie für mich geschneidert.
Neben der Tür standen ein Paar Schuhe, die nur für mich bestimmt sein konnten.
Anthrazitfarben, aus Rauleder, sehr zart, aber mit mörderischen Plateauabsätzen.
Mit einem Dreh steckte ich mir einen Teil der feuchten Haare hoch und
verwandelte mich damit immer mehr zu Lula aus »Wild at Heart«.
Natürlich hatte ich die Zeit wieder aus den Augen verloren. Aufrecht
betrat ich den Raum. Er stand am Fenster im Halbdunkel, hatte ein Glas Whisky in
der Hand und musterte mich herausfordernd. Ich spürte die Wirkung meines
Auftritts. Seine Blicke durchbohrten mich regelrecht.
»Gute Wahl! Du siehst makellos aus. Sollen wir essen?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich fühlte mich
herrschaftlich, und solange ich schwieg, war meine Aura als fremde Erscheinung
an diesem Ort intakt. Er wies mir den Platz zu, und ich setzte mich.
»Verrätst du mir, wen du heute Abend treffen wirst? Kenn ich sie oder
ihn?«
»Es ist eine langjährige Freundin von mir, die für eine PR-Agentur
arbeitet. Sie leitet die Graphikabteilung. Vielleicht kennst du sie, Michelle
Hendford.«
»Nein, nie gehört. Kennt sie mich aus deinen Erzählungen?«
Es war unüblich, dass Rick mich nach solchen Dingen fragte. Er
interessierte sich für gewöhnlich nicht dafür, wem ich was erzählte.
»Wohin werdet ihr gehen?«
»Sie weiß nichts von dir, und wir gehen in eine Bar.«
Seine Wissbegier musste einen klaren Grund haben.
»Ich würde dich einfach nur gerne sehen, während du dich mit deiner
Freundin triffst. Ich möchte euch nicht hören. Ich möchte dich nur den Abend
über begleiten. Denkst du, dass du das auch möchtest?« Er streifte sein Haar
nach hinten.
Mein Happen Tunfisch blieb mir beinah in der Kehle stecken.
»Wie soll das funktionieren?«
»Es funktioniert, ich versprech’s dir.«
»Okay. Und dann?«
»Was dann?«
»Werden wir uns anschließend sehen?«
»Wenn du möchtest, ruf mich an.«
»Ich kann dich nicht anrufen, ich hab deine Nummer nicht.«
»Doch, du hast sie. Dein Handy hat geläutet, während du im Whirlpool
warst, das hat mich auf die Idee gebracht, dir meine Nummer einzuspeichern.«
»Du warst an meinem Telefon?« Ich riss die Augen auf.
»Ja«, sagte er trocken.
Ich kannte diese Seite an ihm nicht. Er verunsicherte mich.
»Wie wird das ablaufen? Werd ich dich dort sehen?«
»Du wirst mich nicht sehen.«
»Okay. Ich gehe in die Titanic Bar und werde dich dort nicht sehen,
obwohl du da bist?«
»Wenn du’s nicht möchtest, sag’s mir, das ist kein Problem.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich das gestalten soll.«
»Es ist ein Spiel. Ein harmloses Spiel.«
Rick liebte Inszenierungen, und genau das schätzte ich an sich an
ihm.
»Ja, Okay, machen wir’s.«
Seine Augen wurden nun wieder liebenswürdig.
»Schmeckt’s dir?«
»Ja, danke.«
Mein Hunger war wie weggeblasen, aber ich war neugierig. Was ging in
diesem Mann mir gegenüber vor? Es war halb neun, ich sollte in 30 Minuten gehen.
Er prostete mir zu. Wir hatten Weißwein in den Gläsern, der
hervorragend war. Château d’Yquem. Der Raum war nun nur noch durch das Feuer im
Kamin, die Kerzen am Tisch und das restliche Tageslicht erhellt.
»Es war schön, oben bei dir an Deck.«
»Ja, ich genieße es auch zunehmend. Die Dimensionen hier sind ein
wenig gewöhnungsbedürftig,
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