Atevi 3 - Erbe
einmal auf sein Zimmer, um seine Unterlagen zu holen, auf die ein anderer seiner Sicherheitsangestellten, gleichfalls Gildenmitglied, aufgepaßt hatte. Das Gepäck war schon zum Flughafen unterwegs.
Bei allem, was geschah, ließen ihn Tano und Algini kein einziges Mal aus den Augen, und sie bestanden für Fahrten über Land auf einem Auto, das von der Assassinengilde abgenommen war (paradoxerweise war dies die einzige Gewähr für sicheren Transport, so wie allein die von der Gilde abgenommenen Hotels sicheres Wohnen garantierten).
Es handelte sich um einen offiziellen Besuch, der nicht nur die Besichtigung von Patinandi Aerospace, dem wichtigsten Industriekomplex der Provinz Sarini, zum Zweck hatte, sondern auch Bren Gelegenheit geben sollte, sich mit Ingenieuren dieser oder jener Bereiche direkt zu unterhalten. Für diesen Morgen hatte er sich ein ehemaliges Flugzeugmontagewerk vorgenommen. Für eine ausführliche Begehung fehlte nun die Zeit, aber er würde Berge von Informationsmaterial und Computerdateien dort abzuholen haben.
All das würde dann von seinem Personal – er verfügte inzwischen über tüchtige Mitarbeiter – aufgearbeitet werden. Er mußte sich noch anhand seiner Aufzeichnungen auf den anstehenden Besuch vorbereiten, was er auf der Fahrt dorthin tun wollte. Lord Geigi folgte, allerdings mit eigenem Anhang. Im Werk angekommen, ließ sich Bren über das Wichtigste aufklären, und, wie erwartet, wurde er mit Broschüren und Papieren überhäuft, die die Firmenleitung mit eigenem Kurierdienst nach Shejidan bringen ließ – eine Gefälligkeit, die noch aus Zeiten stammte, da der Postweg nicht immer verläßlich war.
Die Gespräche und Präsentationen folgten einer absehbaren Routine. Zu Brens Sicherheitspersonal gehörte auch einer seiner Büromitarbeiter, der auf die Nachricht, daß er mit dem Paidhi verreisen sollte, reagierte, als habe man ihm einen Urlaub auf Staatskosten angeboten.
Der junge Mann hatte wahrscheinlich wirklich bislang nie Aufregenderes erlebt, gewiß nie in exklusiveren Hotels genächtigt oder schönere Ausblicke genossen als auf den von der Gilde begleiteten Touren oder einfach aus den Fenstern des Flugzeugs. Zuletzt hatte Bren den jungen Mann allerdings im Parterre von Geigis stattlichem Anwesen gesehen, wie er mit rauchendem Kopf über dicken Aktenstapeln brütete und den Frühstückstee darüber kalt werden ließ.
Doch Bren konnte sich darauf verlassen, daß die Arbeit erledigt sein würde, ehe weiteres zu leisten wäre: Der junge Mann – Surieji war sein Name – hatte bisher alle in ihn gesteckten Erwartungen erfüllt. Und war bisher immer gutgelaunt gewesen.
2
Die Rohbauten sahen einem Raumfahrzeug noch ganz und gar nicht ähnlich, weder aus der Froschperspektive, auf dem Boden des riesigen Hangars stehend, noch von den Leitern der Laufstege, die in schwindelerregende Höhen der Halle hinaufragten, die nur ganz kleine Fenster hatte und Scheinwerfer im Deckengerippe. Einzelne Elemente wurden hier und da noch von Stützen gehalten. Da waren die Bauteile, an denen der Rumpf mit seinen Keramikplatten Gestalt annehmen sollte. Bren sah Teile der Tragflächen, die, wie man ihm sagte, bereits fertig seien und nur noch zusammengebaut werden müßten. Winzig im Vergleich zu den gewaltigen Dimensionen bewegten sich die atevischen Arbeiter zwischen den Aufbauten.
Von den Massen und Höhen ging eine gefährlich hypnotische Wirkung aus. Ein Mensch, der unter Atevi auf dem Festland lebte, mußte sich daran gewöhnen, daß hier alles etwas größer proportioniert war. Mit der verinnerlichten Norm von Treppenstufen, Stühlen und Türgriffhöhen kam er hier nicht mehr zurecht. Für mospheiranische Verhältnisse war Bren großgewachsen; hier aber reichten schon neunjährige Atevi an ihn heran. Und vorsichtig, wie er war, nahm er sich sehr in acht, als er die für Atevi ausgelegten Leitern hinaufstieg oder stehenblieb, um den riesigen Autoklav zu bestaunen, eine technische Neuentwicklung, auf die ihn der Betriebsleiter aufmerksam machte.
»Einzigartig in unserem Werk«, sagte der Mann sichtlich stolz. Er hätte auch richtigerweise sagen können »Einmalig auf der Welt«, wußte aber anscheinend nicht, daß der auf Mospheira gebaute Prototyp schon vor einem Jahrzehnt am Wiederherstellungsverzicht gestorben war.
Er achtete nicht nur auf die Höhe der Stufen. Auch aus anderen Gründen bewegte er sich vorsichtig durch diese Menge aus schwarzhäutigen, goldäugigen Göttern,
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