Atevi 3 - Erbe
die keine Miene verzogen und unerbittlich wirkten, Männer und Frauen, durch farbige Bänder voneinander unterschieden in Rang, Stellung, Herkunft und Assoziation.
Seine Sicherheitsleute hatten Bedenken gegen diesen Teil der Rundgänge. Auf Einladung des Direktors kletterte er auf einen exponierten Laufsteg, zu dem nicht weniger als siebenhundert Fremde hinaufschauten, wovon jeder einzelne eine potentielle Bedrohung für sein Leben darstellte. Es wären natürlich unregistrierte Täter ohne Lizenz, die die Assassinengilde und das Gesetz gleichermaßen unnachgiebig verfolgen würde, aber die Bedrohung bestand dennoch, und Bren mochte lieber nicht daran denken.
Einer der Lords hielt sich ständig unmittelbar neben ihm auf, und das war Lord Geigi, der allen anderen rangmäßig überlegen war und schon etliche Gelegenheiten gehabt hätte, dem Paidhi Schaden zuzufügen. Doch da waren noch andere Lords, gewählte Provinzvertreter, hohe Beamte und Sekretäre, die alle ihre kleine Chance hatten, das Weltraumprojekt der Atevi zu sabotieren, aus welchen Gründen auch immer, und sei es aus geistiger Verwirrung.
Auf die Menge achtend, auf die Lords, die Direktoren und seine Schritte, erklomm er auf weitsprossigen Leitern beängstigende Höhen, mitunter geblendet von gleißenden Scheinwerferstrahlen. Mit einer Hand hielt er sich ständig am Handlauf fest und ließ sich nicht drängen, bis, in dieser größten aller Montagehallen, eine Stelle erreicht war, von der aus man die gesamte Grundfläche überblicken konnte.
Höhenangst kannte er nicht. Er fuhr Ski. Nun ja, er war Ski gefahren, als er noch die Möglichkeit der Heimreise gehabt hatte, und jetzt fehlte es an Gelegenheit, die verschneiten Regionen des Bergid aufzusuchen, wo sich inzwischen die Atevi auf mehr schlecht als recht präparierten Pisten in dem für sie neuen Sport versuchten. In diesem Winter hatte er sich statt dessen an solche Laufstege und Leitern gewöhnen müssen, an hallende Maschinenwerke und desinfizierte Laboratorien sowie an Baupläne auf seinem Schreibtisch in der Hauptstadt.
Hier nun sah er zum ersten Mal Teile, aus denen ein Raumfahrzeug gebaut werden würde, feste, berührbare, für den Weltraum bestimmte Teile, die den Traum erfüllen sollten, den er schon so lange träumte und an dem er so hart gearbeitet hatte in der sehnsuchtsvollen Hoffnung, daß er für die Generation nach ihm endlich wahr werden möge.
An diesem besonderen Morgen hatte sich der Paidhi von atevischen Ingenieuren zahlreiche Probleme vortragen lassen, Probleme, die überwiegend aus einem forcierten Zeitplan resultierten, aber auch aus Übersetzungen von Entwürfen, Plänen, Handbüchern und Normgrößen in eine fremde Sprache. Und dies bedeutete, daß er über mehrere, leidlich erträgliche Stunden den ursprünglichen Job des Paidhi tun und Wörter zusammentragen mußte.
Atevische Ingenieure übernahmen Wörter und kreierten welche für Dinge, die den Atevi bislang unbekannt waren, und der Paidhi schrieb diese pflichtgemäß auf und reichte sie über das Datennetz der nunmehr miteinander verbundenen Betriebe an andere Ingenieure weiter. Wissenschaft und Ingenieurwesen entwickelten eine eigene Terminologie, Gegenstände und Sachverhalte betreffend, von denen es in der atevischen Welt ein Jahr zuvor noch keine Vorstellung gegeben hatte. Die atevische Sprache hatte sich nie gegen die Übernahme technischer Begriffe gesträubt. Das Wort arispesa zum Beispiel war eine Hybridform, die ohne sein Zutun zustande gekommen war.
Sein Koffer war voller Berichte, Gutachten und Kommentare über das, was gut, respektive weniger gut funktionierte und woran die Ausschüsse, Labors und Fabriken am Oberlauf der technischen Ströme noch zu arbeiten haben würden. Erstaunlich: Viel gab es nicht mehr zu beanstanden. Im Herbst des vergangenen Jahres hatte er noch Zechen und Bergwerke inspiziert.
Aufzeichnungen aus der verlassenen Raumstation, die Bibliothek, die mit dem, was als kolonialer Stützpunkt konzipiert gewesen war, die Umlaufbahn dieses Planeten erreicht hatte – all das, was der Paidhi Stück für Stück dem Festland überlassen hatte, war in der Vergangenheit gegen Handelsgüter getauscht worden. Doch nun gab es eine neue Ideenquelle am Himmel, und die sprudelte freigiebig. Über diesen Weg war auch der Entwurf für dieses in Bau befindliche Raumschiff gekommen.
Ob Mospheira schon vorher im Besitz dieser dem Festland umsonst zur Verfügung gestellten Unterlagen gewesen war, blieb,
Weitere Kostenlose Bücher