Atevi 3 - Erbe
wiederzusehen.« Er stand auf und schenkte Banichi und Jago aus der Karaffe neu ein.
»Sie korrumpieren uns, Nadi«, meinte Banichi.
»Trinken Sie ruhig. Es hat ein jeder, wenn er an sicherem Ort ist, Anspruch auf Behaglichkeit, ob er nächtens auf Dächern aushält oder nicht.«
»Man läßt sich gern korrumpieren«, sagte Jago und hob ihr Glas. »Zumindest heute abend, Bren-ji.«
Mit gefüllten Gläsern gingen beide nach nebenan in ihre Schlafzimmer, die ein halbes Jahr lang leergestanden hatten.
Bren dachte an den langen Tag zurück, während er seine Kleider auszog und sich fürs Bett fertigmachte. Es war ein schöner Tag gewesen, ein desaströser Tag – und dann wieder ein guter, da Banichi und Jago zurückgefunden hatten.
Kein guter Tag für Saigimi. Bren empfand tatsächlich Mitleid für alle, die dem Lord in Man’chi verbunden gewesen waren. Wie seine Vorgänger schaute sich auch Bren, vor allem aus professioneller Neugier, seit Jahren Machimi-Spiele an und versuchte, die Codes atevischen Verhaltens zu entschlüsseln. Saigimis Tragödie hatte klassisches Format: unbekannte Loyalitäten und wechselnde Man’chi-Bindungen, die selbst für diejenigen unüberschaubar waren, die dem toten Lord sehr nahe gestanden hatten.
Vielleicht wußte nicht einmal Cosadi, die Tochter, abzusehen, wem ihr Man’chi morgen oder übermorgen gelten mochte. Bren ahnte, daß diese junge Frau emotionale Turbulenzen durchlebte vor lauter Selbstzweifel und Unsicherheit in der Frage, welcher – um ein Menschenwort zu gebrauchen – blutsmäßig angelegten Neigung sie nachgeben sollte, dessen eingedenk, daß sich zur gleichen Zeit ein Dutzend anderer möglicher Partner dieselbe Frage stellte.
Unterdessen würde ein neuer Lord, wahrscheinlich Ajresi, das Ruder übernehmen und Tiburi, die Frau aus dem Samiusi-Clan und Geigis Verwandte, zusammen mit Cosadi vertreiben und in einem Haus (Direisos) Zuflucht nehmen lassen, das bis über die Traufen in der von Saigimi angezettelten Verschwörung gegen den Aiji steckte.
Klassisches Machimi, fürwahr. Bren war nach wie vor fasziniert von den Farben, den Fahnen, den Truppenbewegungen, den Kulissen uralter atevischer Festungsanlagen.
Eine dieser Festungen, nämlich die von Malguri, kannte er sehr genau – bis hin zu ihren antiken Sanitärinstallationen. Als Mensch, das war ihm bewußt gewesen, hatte er dort eigentlich nichts zu suchen.
Doch er liebte diesen Ort, die windumtosten Höhen und archaischen Mauern. Er hatte dort in Erfahrung gebracht, was das Wesen der Atevi ausmachte, und als jemand, der von Berufs wegen Sprachvermittler war, Dinge gelernt, die sich mit Worten nicht kommunizieren ließen, und tief bewegende Szenen erlebt. All das verdankte er Ilisidi.
Durch sie war er darauf gekommen, daß menschliche Instinkte und atevisches Man’chi doch einiges miteinander gemein gehabt hatten, bevor sie sich auseinander entwickelten und zu dem wurden, was sie nun waren.
Oder vielleicht war es auch nur eine zufällige Gemeinsamkeit, daß beide Spezies ihre Welt liebten, die Steine und alles Lebendige.
Er zog das Hemd aus. Es glitt ihm aus der Hand, ehe er es einer der Dienerinnen geben konnte.
Dienerinnen der Atigeini, die, so war zu hoffen, in erster Linie Lady Damiri gehorchten und nicht deren Onkel Tatiseigi.
Machimi.
Wessen Man’chi rangierte zuvörderst? Wem waren die Dienerinnen ergeben gewesen, bevor der menschliche Gast in diese Wohnung gezogen war, oder Jason, der mit dieser Welt und deren Staub und Steinen seine Schwierigkeiten hatte und vollauf entschuldigt war für die schlechte Laune, die er den ganzen Winter über an den Tag gelegt hatte.
Daß die Dienerinnen darauf bestanden, ihm beim Aus- oder Ankleiden zu helfen und seine Wäsche zu waschen, war Bren längst nicht mehr peinlich. Um diese Dinge hatte sich während der vergangenen Tage Tano gekümmert, und Bren hatte die Gelegenheit der vertraulichen Nähe genutzt, um sich mit ihm auszutauschen über den vergangenen Tag und das, was für den nächsten Morgen anstand. In Tanos Gesellschaft hatte er sich wohl gefühlt.
Doch nun war er wieder zurück in Shejidan und Tano nicht länger verfügbar. Ob es daran lag, daß er ein Glas zuviel oder zu wenig getrunken hatte? Jedenfalls dröhnte ihm der Schädel von all den Informationen, die er erhalten hatte, und es war fraglich, ob er überhaupt ein Auge würde zutun können.
Dennoch lockte das Bett mit weichen Kissen und Satinbezügen. Der Fernseher, sein wirksamstes
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