Atevi 3 - Erbe
die Atigeini als Zwischenhändler in der Sache um Deana Hanks fungieren sollen?
Das würde bedeuten, daß man es auf Tabinis Sturz abgesehen hatte, zu einer Zeit, da Tabini mit Lady Damiri, der Erbin der Atigeini, im Bett lag.
Doch wenn es dafür eindeutige Beweise gäbe, würden Banichi und Jago ihn bestimmt eingeweiht haben.
Mit Gewißheit wußte Bren nur, daß der Adel aus dem Padi-Tal, dem auch Tabini angehörte, alte und sehr verwickelte Beziehungen unterhielt. Es war der Zentralverband der Ragi, aus denen sämtliche Aijiin hervorgegangen waren, die je von Shejidan aus geherrscht hatten, oder mit anderen Worten: ein kleiner Haufen, in dem es immer wieder zu Streitereien kam.
Niemand anders als Lord Geigi und Tabinis resolute Großmutter hatten jenes Haus besucht, das nun zweifelsfrei als das der Kadigidi ausgemacht war, und Deana Hanks mit sich genommen, was Direiso anscheinend so sehr verdrossen hatte, daß es, wie Bren im nachhinein erfuhr, zum Tumult gekommen und eine Vitrine mit kostbaren Antiquitäten zu Bruch gegangen war.
Gleichzeitig war Direisos Sohn als Gast im Haus der Atigeini und die Atigeini-Erbin in Tabinis Bett gewesen.
Eine verwirrende Situation. Doch unter Atevi war vieles relativ simpel strukturiert.
Um herauszufinden, wer wohl am ehesten Ärger anzettelte und wer aller Wahrscheinlichkeit nach die meisten Randfiguren für sich vereinnahmen konnte, mußte man sich bloß nach dem Stärksten umschauen.
Nach Tabinis gefährlichsten Gegnern befragt, hätte Bren gestern noch Tatiseigi, Saigimi und Direiso aufgezählt.
Jetzt, da Saigimi tot war, würde er spontan, aber ohne es begründen zu können behaupten, daß die größte Gefahr nun von Direiso ausgehe und daß Tatiseigi von einer Bedrohung Tabinis Abstand genommen habe, von dem Moment an, da Saigimi nicht mehr mit im Spiel war.
Wie kam er darauf? Tatiseigis angestammte Ländereien lagen im Padi-Tal; dort waren auch die Kadigidi zu Hause, gleich nebenan, sozusagen. Direiso, ihr Oberhaupt, hatte in ihren übereilten, extremen Manövern jeweils Saigimi als Speerspitze vorgeschickt.
Daß Bren in shibeiseliger Stimmung das Oberhaupt der Atigeini hinter Direiso einordnete, lag nicht etwa daran, daß er diesem Mutlosigkeit unterstellte. Nein, die Überlegung war folgende: Tatiseigis Nichte Damiri schlief mit Tabini und würde ihm womöglich einen Erben schenken. Falls sich Tatiseigi jemals von seinem verletzten Stolz würde erholen können und Damiris Liaison endlich nicht mehr als Schmach, sondern als Chance verstünde, würde er zu einer sehr wichtigen Position im Westbund aufrücken. Wenn auch nicht an die Stelle des Aiji, wovon ihn allein schon Direiso abhielte, die ihre eigenen ehrgeizigen Pläne verfolgte.
Ah. Und aha…
Direiso würde in Tatiseigi sowohl eine Bedrohung als auch einen potenten Unterstützer ihrer Ambitionen auf das Aijinat sehen, wohl auch zu Recht, denn Tatiseigi müßte einsehen, daß er für das höchste Amt im Westbund endgültig nicht mehr in Frage kam; er war schon alt und hatte keinen eigenen Sproß hervorgebracht, weshalb ihn auch Damiri, die Tochter seiner Schwester, beerben würde. Er konnte also nicht mehr, wenn er denn Aiji wäre, auf genetische und politische Kontinuität setzen. Tatiseigi mußte sich irgendwie mit Damiri einigen, da es immer unwahrscheinlicher wurde, daß er sie doch noch um ihr Erbe bringen könnte. Gleichzeitig wurde immer wahrscheinlicher, daß Damiri den nächsten Aiji zur Welt brachte.
Es mußte dem alten Tatiseigi bitter ankommen, daß die Familienresidenz im Bu-javid von unerwünschten Menschen bewohnt war, die Nichte ihm in aller Öffentlichkeit trotzte und mit Tabini verkehrte. Zu allem Überfluß hatte im vergangenen Jahr auch noch ein Wahnsinniger aus Wut über die Menschen oder um die Atigeini in Verlegenheit zu bringen den Frühstücksraum mit Feuersalven belegt und einen kostbaren Fries aus eleganten Porzellanlilien zerschossen.
An der Restaurierung dieser Lilien wurde immer noch gearbeitet. Den Frühstücksraum trennte zur Zeit eine massive Metallwand vom Rest der Wohnung ab, wodurch gewährleistet werden sollte, daß die von Tatiseigi engagierten Arbeiter ein- und ausgehen konnten, ohne Tabinis Sicherheit zu kompromittieren.
Es hätte damals beinahe nicht nur die Lilien, sondern auch den Paidhi getroffen.
Bren war sich relativ sicher, daß der Schütze blindlings drauflos geballert hatte, auf ein Fenster, hinter dem sich ein Mensch aufhielt. Womöglich war es dem
Weitere Kostenlose Bücher