Atevi 3 - Erbe
ausgehender Raubüberfall auf die angrenzenden Wohnungen war nicht zu befürchten. Doch das Hämmern und Kratzen und die Lackdämpfe waren den ganzen Winter über lästig gewesen; jetzt, im Frühjahr, wollte man in den Wohnungen ringsum die Vorteile der luftigen Lage und allgemeinen Sicherheit nutzen und alle Fenster aufsperren, um frische Luft hereinzulassen. Der Wunsch danach hatte gewiß auch zur Beschleunigung der Arbeiten beigetragen wie auch dazu, die Geräusch- und Geruchsbelästigung möglichst gering zu halten, um nicht, wie Tabini sagte, zu riskieren, daß jemand den Atigeini den Krieg erklärte.
Die Bauarbeiten schienen ihrem Ende zuzugehen; das Hämmern und Stampfen, durch das sich die Wachen nicht selten hatten fehlalarmieren lassen, wurde weniger, und die größten Schandflecken waren beseitigt. Die Vertröstung ›nur noch ein paar Tage‹ war mittlerweile scherzhaft gemeint so wie die ›Regenwolken‹ von einst, klang aber trotzdem ermutigend.
Bald würden sie die stählerne Trennwand los sein, die Handarbeiter und den Bauschutt; dann stünde ihm wieder ein Raum von erlesener Schönheit zur Verfügung, sein Lieblingsort in dieser Wohnung, den er nicht nur zum Frühstücken nutzte, sondern ebenso zum Arbeiten oder Entspannen.
Oh, Gott! Das Datum.
Am 14ten sollte er der Presse Rede und Antwort stehen. Morgen. Oder? War morgen der 14te?
Ja, tatsächlich. Der Termin wäre ihm fast entfallen. Daran hatte er gar nicht gedacht, als zur Entscheidung stand, ob er den Besuch bei Geigi verlängern sollte oder nicht.
Vor aller Öffentlichkeit eine Verbindung herzustellen zwischen dem Mord an Saigimi und dem Weltraumprogramm war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack; er hatte keine Lust, auf Fragen zu Lord Saigimi zu antworten, die ihm sehr wahrscheinlich gestellt werden würden. Die Nachrichtenredaktionen waren zwar nicht gerade kritisch zu nennen, doch bei Live-lnterviews konnten immer wieder einmal peinliche Fragen aufkommen, und Fernsehbeiträge zur Politik wurden aus arithmetischen Gründen und der Authentizität wegen fast immer live übertragen.
Doch für eine Absage war es zu spät; nicht einmal ein Giftanschlag könnte jetzt noch als Entschuldigung herhalten. Die Öffentlichkeit würde zu Recht argwöhnen, daß er mauerte.
Er mußte sich zusammenreißen und der Aufgabe stellen, konzentriert und wie man es von ihm erwartete. Die Pressekonferenz war vor fünfzehn Tagen verabredet worden, also kurz vor seiner Rundreise, als er noch zuversichtlich davon ausging, der Öffentlichkeit ausschließlich Positives vermelden zu können. Bei der Terminplanung hatte er dafür gesorgt, daß genügend Luft blieb zwischen dem Ende der Reise und seinem Fernsehauftritt. Doch dann war das Reiseprogramm um zwei Tage und drei Werksbesichtigungen erweitert worden, und er hatte den Termin als eine weniger wichtige Sache ganz vergessen, zumal er sich stets darauf verlassen konnte, daß ihn sein Personal zu gegebener Zeit erinnern würde. Und hätte er Geigis Einladung angenommen, wären die Fernsehleute mit ihren Kameras und Scheinwerfern nach Sarini gezogen, vor das Anwesen von Lord Geigi.
Er würde nicht drum herumkommen, so sehr er es auch wünschte.
Verflucht! Es sträubte sich alles in ihm. Aber wahrscheinlich hatten nicht einmal diejenigen, die im Regen auf ominösen Dächern gestanden hatten, an den Interviewtermin des Paidhi gedacht, als sie einen Lord des Bundes liquidierten.
8
Am darauffolgenden Morgen kamen Jago und Banichi in den Speiseraum, heiter gestimmt und anscheinend mit großem Appetit auf das Frühstück, das in üppiger Fülle auf zwei Servierwagen aufgefahren worden war.
Jason blieb auf seinem Zimmer. Er schlafe aus, sagte Madam Saidin. Es habe jemand nach ihm gesehen und festgestellt, daß er noch zu Bett liege. Man werde dafür sorgen, daß er, sobald er wach sei, zu essen bekomme.
»Ich glaube, der Schlaf wird ihm gut tun«, stimmte Bren zu und setzte sich an den Tisch. »Vielen Dank, Saidin-ji.«
Tano und Algini kamen ebenfalls zum Frühstück. Ehe er auf seinen Platz ging, legte Tano, indem er sich leicht verbeugte, zwei Schriftstücke neben Brens Gedeck: ein Stück Pergament – doppelt zusammengefaltet und nicht etwa gerollt wie bei Formschreiben – und eines, das in einer goldenen (aber sehr zerkratzen) Versanddose steckte.
Auf dem Faltblatt stand in Tanos Handschrift zu lesen: In der Sache Jason-Paidhi hat Mogari-nai während Ihrer Abwesenheit keinen Funkspruch erhalten
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