Atevi 3 - Erbe
Mittel gegen Schlaflosigkeit auf Reisen, stand, obwohl er sich kaum in die antike Einrichtung einfügen ließ, in der Ecke als Zugeständnis für den Paidhi, der auf dem laufenden sein mußte und gelegentlich auch ein wenig Unterhaltung brauchte oder eine Geräuschkulisse in der Stille.
Aber er hatte ja jetzt seine Leute zurück. Banichi und Jago waren wieder da.
Sasi nahm seine Kleider entgegen. Sie sei die älteste Dienerin im Haus, hatte sie ihm stolz erklärt und Fotos ihrer vier Enkel gezeigt.
Als abtrünniger, weit von seiner kulturellen Heimat entfernter Mensch mußte sich Bren immer wieder vor Augen führen, daß es Sasis Aufgabe war, Gäste des Hauses zu Bett zu bringen und zuzudecken, und daß sie außerdem als Ausbilderin fungierte für die beiden jungen Dienerinnen, die zugegen waren und Kleidungsstücke in Empfang nahmen beziehungsweise bereithielten, so jetzt den Nachtmantel, den anzulegen zum allabendlichen Ritual gehörte, obwohl er schon nach fünfzehn Schritten zum Bett hin wieder abzulegen war. So wollte es die Kleiderordnung am Bu-javid.
In der höfischen Rangfolge nahm der Paidhi einen oberen Platz ein. Entsprechend viele Kleider hatte er, die zu pflegen der Stolz seines Personals war. Und es kam gar nicht in Frage, daß er sich selbst einkleidete oder auszog. Die Bediensteten der Atigeini wären brüskiert, wenn er das täte.
Soviel hatte Bren nach einem Jahr in diesem Haus begriffen, und er hütete sich, das Personal in seiner Beflissenheit zu bremsen.
»Wie kommen die Restaurationsarbeiten voran?« fragte er, als Sasi ihm mit der Bürste durchs Haar ging. Die Gerüche von Farbe und frisch verarbeitetem Gips waren selbst hier im Schlafzimmer wahrzunehmen, allerdings schon merklich schwächer an diesem Abend. »Nadi Sasi? Stimmt es, daß die Anstreicher schon fertig sind?«
»Es ist fast alles fertig, nand’ Paidhi. Sogar die Kacheln sind schon verklebt, wie man hört. Die Anstreicher waren fast ununterbrochen bei der Arbeit, die jetzt aber offenbar abgeschlossen ist.«
Die junge Dienerin, die nahe der Tür stand, fügte hinzu: »Die Handwerker meinen, daß sie noch einen Tag brauchen. Das sagt auch Saidin.«
»Ich glaube, das haben sie der Lady versprochen«, sagte Sasi.
Also Damiri. Die Handwerker, die hier seit einiger Zeit wie unter Hochdruck schufteten, waren vom Oberhaupt der Atigeini persönlich ausgesucht und nach strenger Prüfung ihrer Personalien angeheuert worden.
Was aus der Sicht vor wenigen Monaten bedenklich stimmen mußte.
»Nadi.« Eine Dienerin zog eine Schriftrolle aus der Jackentasche des Paidhi und händigte diese Sasi aus, die sie ihm überreichte.
Tobys Telegramm. Verflucht. Er hatte vergessen zu antworten.
Aber mit einer Antwort war nichts erreicht, geschweige denn der Zustand seiner Mutter verbessert. Sie war in ärztlicher Behandlung. Er konnte nicht helfen. Wenn er sie anriefe, kämen sie bestimmt auf Dinge zu sprechen, die sie zusätzlich verstimmen würden, auf seinen Job zum Beispiel, auf den nächtlichen Telefonterror. Es war besser, daß er sich nicht bei ihr meldete.
Er legte die Schriftrolle auf das Nachttischchen, schlüpfte aus dem seidenen Umhang und gab ihn Sasi, bevor er sich auf dem Laken des historischen Bettes ausstreckte, in dem einer aus der Familie der Atigeini vor Hunderten von Jahren ermordet worden war, unter der Zudecke, wovon die jetzige eine originalgetreue Kopie war.
Wie die nun restaurierten Lilien im Frühstücksraum Kopien der vor kurzem zerstörten Originale sein würden.
Die Atigeini hielten stur an althergebrachten Schmuckstücken fest. So auch an ihrer Macht, an ihrer Autonomie. Und an der Gastlichkeit, die sie ihren Besuchern erwiesen.
Damiri hatte sich bestimmt ihr eigenes Bild von den Handwerkern gemacht; davon ging Bren seit Beginn der Arbeiten aus. Wegen der speziellen Stahltrennwand, jenem aufwendigen, mit Bolzen und Schrauben fest verankerten Etwas, hatte es Streit gegeben, weil durch sie das Holzparkett in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dennoch war sie aus Sicherheitsgründen eingezogen worden, was zur Folge hatte, daß die Handwerker nur vom Dach aus über ein Gerüst und unter strenger Bewachung durch Tabinis Leute in die Wohnung gelangen konnten. Vorsorglich waren auch in den benachbarten Residenzen die Fenster dichtgemacht worden.
»Soll ich die Fenster offenlassen oder den Luftschacht aufklappen, nand’ Paidhi.«
»Es wird reichen, wenn der Luftschacht geöffnet ist, Sasi-ji.« Ein von der Baustelle
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