Atevi 3 - Erbe
wird auf Sie bestimmt eher hören als auf seine eigenen Leute. Ich wette, er kommt kaum mehr zur Ruhe. Ein gelungener Winkelzug, nand’ Paidhi.«
»Was ist jetzt auf der Halbinsel zu erwarten? Wer, glauben Sie, wird die Marid übernehmen?«
»Schwer zu sagen. Cosadi, Saigimis Tochter, ist eine devote Anhängerin von Direiso – und ein ausgemachter Dummkopf.«
»Andererseits«, sagte Jago, »wäre da noch Saigimis jüngerer Bruder Ajresi, der anderenorts wohnt und Saigimis Witwe, die aus dem Samiusi-Clan stammt, auf den Tod nicht ausstehen kann. Vermutlich wird er sich eher für seine persönlichen Zwecke einsetzen als für die des Hauses, dessen Oberhaupt er nun ist. Er hat bislang den Bruder sämtliche Risiken tragen lassen. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, daß er sich in der Erbfolge zur Seite drängen läßt von einer dreisten Nichte, die den Kurs ihres Vaters beibehält und das Haus noch mehr ins Abseits manövriert.«
»Das sehe ich ähnlich«, sagte Banichi. »Denen stehen große Probleme ins Haus. Es könnte sein, daß auch Witwe Tiburi bei Direiso Zuflucht sucht. Übrigens ist Tiburi mit Lord Geigi verwandt. Deshalb wollte man Geigi in den Konkurs treiben, damit sie an seine Stelle treten kann.«
»Das war der Grund?«
»Allerdings. Und wegen dieser fehlgeschlagenen Intrige gegen Geigi ist Tiburi bei den Hagrani nicht mehr gelitten, schon gar nicht bei ihrem entfernten Vetter Geigi. Auch Tochter Cosadi wird bei ihrem Onkel Ajresi nichts mehr zu vermelden haben, denn zum einen nähert sich Geigi Tabini an, zum anderen ist kaum mehr auszurechnen, wem Cosadi ihr Man’chi angedeihen läßt. Möglich, daß sie Ansprüche auf den Hagrani-Besitz erhebt, und manche Mitglieder aus Saigimis Haushalt, die seiner Frau ergeben sind, könnten zu verhindern versuchen, daß die Hausmacht auf die brüderliche Linie übergeht, weil sie dann fürchten müßten, vor die Tür gesetzt zu werden. Einige behaupten, daß Cosadi Assassinen, die zum Hagrani-Clan gehören, auf Saigimis Bruder angesetzt hat und sich an die Spitze der Hagrani stellen will. Bestimmt hat auch Ajresi die Gilde beauftragt, Cosadi zu entfernen.«
Spätestens an dieser Stelle wäre es notwendig gewesen, Stichworte zu notieren. Bren hatte den Überblick längst verloren. Doch immerhin waren ihm einige Namen geläufig, über die ihm die Möglichkeit zum Nachfragen blieb.
Jago fuhr fort: »Und es könnte sein, daß manche Gildenmitglieder, die Saigimi gedient haben, ihr Man’chi nun jemand anderem anvertrauen als der Tochter, die die einen einfach nur für töricht halten, andere für eine Marionette Tiburis, der sowohl die Hagrani als auch der eigene Clan jegliche Unterstützung versagt haben.«
»Der Halbinsel steht ein interessanter Sommer bevor«, meinte Banichi.
»Direiso könnte die erwähnten Gildenmitglieder für sich gewinnen«, sagte Jago. »Und ein paar der eigenen Leute verlieren, denen allmählich klar werden dürfte, daß es absolut töricht ist, so viele Zielscheiben unter einem Dach zu versammeln.«
Bren spitzte die Ohren. Er wollte fragen: Kann man sein Man’chi nach vernünftigen Gesichtspunkten vergeben? Er hatte angenommen, daß es wie die Liebe frei ist von eigennützigen Erwägungen. Anscheinend war dies nicht der Fall.
Doch wenn er jetzt unterbräche, würde er sie womöglich davon abhalten, ihm mitzuteilen, was sie sich vorgenommen hatten.
»Man geht davon aus«, fuhr Jago fort, »daß auch die Kadigidi« – das war Direisos Haus – »ihre Loyalitäten neu disponieren werden. Der Sohn und wahrscheinlichste Erbe Direisos ist nach der mütterlichen Linie seines Großvaters ein Atigeini…«
»Direisos Vater war selbst nie Familienoberhaupt«, unterbrach Banichi. »Grund dafür war eine Schale Beeren in unglücklicher Anzahl.«
Beeren. Der Paidhi spürte den Alkohol wirken und glaubte, den Faden verloren zu haben.
»Im vergangenen Herbst«, führte Jago unbeirrt .weiter aus, »war Murini, Direisos Sohn, im Haus der Atigeini zu Gast, und zwar genau zu jener Zeit, da wir Grund hatten zu der Vermutung, daß sich Deana Hanks als Gast in Direisos Haus aufhielt. Wie finden Sie das, Bren-ji?«
Offenbar bestand kein Zweifel mehr daran, daß Deana tatsächlich bei Direiso gewesen war. Gut zu wissen auch, daß sich Direisos Sohn – ja, wie sollte man es auffassen – bei den Atigeini, also sozusagen hinter Tatiseigis Rücken versteckt gehalten hatte aus Angst vor übereilten Reaktionen seiner Mutter. Oder hatte er für
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