Atlan 11 - Monolith 01 - Planet der Silberherren
es nicht. Santjun neigte dazu, sich auf einen singulären Aspekt seiner Umgebung zu konzentrieren, sich geradezu darauf zu fixieren. Nicht zuletzt daher waren seine Schlüsse und Beobachtungen sehr, sogar phänomenal präzise. Er selbst wirkte dadurch jedoch gelegentlich etwas entrückt.
O ja, ich kannte Santjuns Profil, kannte es sehr gut. In seiner dienstfreien Zeit wohnte er in Quinto-Center. Er hatte keine familiären Bindungen mehr, war ein typischer, hoch ausgebildeter und kämpferischer USO-Spezialist, ein Weltenbummler, den die Exotik fremder Welten lockte. Auf Äußerlichkeiten legte er wenig Wert, solange es sich nicht um seine Tarnung oder um Ausrüstungsgegenstände handelte. Es wurde gemunkelt, dass Santjun Aufzeichnungen führte oder an einem Buch arbeitete.
Nach allem, was ich wusste, galt seine Loyalität uneingeschränkt der USO und dem Moralischen Kodex des Solaren Imperiums. Und im Grunde ähnelte er in vielen Aspekten seiner Persönlichkeit mir selbst. Deshalb wohl hatte ich ihn stets im Auge behalten.
Denk nach , mahnte der Extrasinn. Noch ein Puzzlestück.
Selbstverständlich. Aber ich konnte auch dieses noch nicht einordnen.
»Können wir jetzt vernünftig reden, Arkonide?«
Ich nickte knapp. Kein Geplänkel mehr, auch wenn wir beide es genossen hatten. »Fangen wir von vorn an. Was ist passiert, Tante Tipa?«
»Wir haben ihn in einer Rettungskapsel aus dem Raum gefischt. Aber er ist geistig zerrüttet. Er spricht nur davon, dass wir ihn nach einer gescheiterten Geheimdienstoperation aus den Händen einer Bande verbrecherischer Blues befreit hätten. Eine Aktion gegen eine Gruppierung namens ›Vier blinde Augen‹ auf der terranischen Siedlerwelt Ranjokhan.«
Das alles kann kein Zufall sein , sagte der Extrasinn. Ich versuche unentwegt, Sinn in diese Sache zu bringen, aber es gelingt mir nicht.
Ich weiß , antwortete ich stumm.
»Also gut«, sagte ich. »Tante Tipa, würdest du Santjun auf die IMASO überstellen?«
»Und er hat versucht, die BUTTERFLY in die Luft zu sprengen«, überging die Piratin meine Bitte.
»Er hat was ?«, entfuhr es mir. »Wieso?«
»In einem unbeobachteten Augenblick hat er einen meiner Männer niedergeschlagen, seine Waffe an sich genommen und versucht, den Reaktor der BUTTERFLY hochzujagen. Der gute Faun konnte ihn in letzter Sekunde aufhalten.«
Ich nickte bedächtig, um Zeit zu gewinnen, während meine Gedanken rasten. Dasselbe Verhaltensmuster wie bei mir.
Er ist nicht mehr bei Verstand , hatte Tipa Riordan über meinen Agenten gesagt. Die Vermutung lag nahe, dass Santjun etwas Ähnliches zugestoßen war wie mir.
»Der Vorfall wurde nicht … rein zufällig natürlich … von einer Überwachungskamera aufgezeichnet?«
»Wurde er.« Sie fasste in eine Tasche ihrer Lederhose, zog einen Datenspeicher hervor und hielt ihn mir hin.
Ich griff so langsam danach, wie man nach einer giftigen Schlange greift. Fast hätte ich damit gerechnet, dass sie die Hand mit dem Kristall wieder zurückziehen und ihren Preis nennen würde. »Lass mich raten«, sagte ich. »Die Rettungskapsel, in der du Santjun gefunden hast, war die eines terranischen Explorers?«
Sie konnte ihre Überraschung nicht verbergen.
»Der EX-2714?«
»Ja. Anscheinend weißt du über deine Schiffe mehr als über deine Agenten, Arkon-Scheich.«
»Die EX-2714 gehört nicht zu meinen Schiffen.«
»Noch schlimmer, Jüngelchen. Wenn du gescheit bist, wirst du die Kapsel untersuchen lassen. Ich habe bereits die Anweisung erteilt, sie gemeinsam mit Santjun an Bord der IMASO zu bringen. Dein Agent dürfte sich bereits auf dem Weg zur Medostation befinden. Kann ich darauf vertrauen, dass du ihn nicht wieder verlierst, und meine Männer auf die BUTTERFLY zurückkehren lassen?«
Ich aktivierte mein Armband-Funkgerät und erteilte der Kommandantin die Anweisung, Santjun unter strengste Bewachung zu stellen und keine Sekunde aus den Augen zu lassen. »Zufrieden?«
Sie zuckte die Achseln. »Es ist dein Schiff, das dir um die Ohren fliegen wird.«
»Gut. Sonst noch etwas? Ich will nicht unhöflich sein, Tante Tipa, aber …« Ich hielt kurz inne, doch sie ging nicht auf die Anspielung ein.
»Eine leistungsfähige Positronik«, sagte sie stattdessen.
Nun sah ich sie überrascht und verwirrt an. »Wie bitte?«
»Hast du etwas an den Ohren, Arkonidenjüngelchen? Ich habe von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass ich für meine Information eine Gegenleistung erwarte.«
»Ja, sicher,
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