Atlan TH 0010 – Das Gesetz der Erbauer
zerstören.
Monster!
»Verdammt«, murmelte Brast leise vor sich hin. »In ihrer Verbohrtheit ist nicht mit ihnen zu reden.«
Sie wussten nicht, wie Germa wirklich war. Sie wollten es nicht wissen. Das Mädchen konnte weinen und lachen, es empfand Freude und Trauer, Hunger und Durst wie jeder normale Solaner auch. Es sah lediglich anders aus. Aber spielte das wirklich eine Rolle?
Horm Brast war nahe daran, ins Grübeln zu verfallen. Er musste sich förmlich zu anderen Gedanken zwingen. Immerhin hatte auch er anfangs jenen Atlan belächelt und war der Meinung gewesen, der Fremde hätte Prediger werden sollen. Heute sah er vieles anders.
Das Dämmerlicht nahm ihn auf. Brast schritt zügig aus. Die anderen würden nicht so dumm sein, ihn einfach zu überfallen. Er besaß eine Waffe, sie nicht.
Unrat häufte sich zu beiden Seiten des kaum vier Meter breiten Korridors. Achtlos weggeworfenes Verpackungsmaterial und Teile defekter Geräte. Horm Brast beachtete all das kaum. Im Grunde genommen sah es fast überall an Bord so aus.
Schrill quietschend flohen einige eidechsenähnliche Tiere vor ihm. Sekundenlang hörte er es zwischen Blech und Plastik rascheln. War da nicht noch ein anderes Geräusch?
Der Mann verharrte. Er hatte gelernt, auf vieles zu achten. Leichtsinn konnte tödlich sein. Vielleicht glaubte er gerade deshalb noch immer an eine mögliche Gefahr. Sein Blick irrte durch den Gang. Nichts rührte sich.
»Wer ist da?«, fragte Brast zögernd. Er erhielt keine Antwort.
Seine Reaktion kam zu spät. Bevor er die Arme hochreißen und sich wehren konnte, fiel ein engmaschiges Netz über ihn und behinderte ihn in seinen Bewegungen.
Die Wand öffnete sich. Horm Brast konnte nicht erkennen, wer auf ihn zukam, weil die plötzliche Lichtflut ihn blendete. Ein Tritt brachte ihn zu Fall. Schwer stürzte er in einen Abfallhaufen. Der Geruch nach Fäulnis stieg in seine Nase.
Für einen kurzen Moment war Brast benommen. Schon beugte sich jemand über ihn und zerrte ihn hoch.
»Er hat eine Abreibung verdient«, sagte eine Stimme, die Horm nur zu gut kannte. Also hatte er sich nicht getäuscht. Aber was trieb seine Gefährten von einst zu solchen Taten? Hass? Enttäuschung? Furcht vor den Ferraten?
Man schlug ihm ins Gesicht. Horm Brast biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Seine Narben brannten wie Feuer. Er glaubte, dass noch immer verschwindend geringe Spuren des Gifts, mit dem er damals in Kontakt gekommen war, unter seiner Haut saßen.
»Was wollt ihr von mir?«, schrie er.
Lautes Gelächter antwortete ihm.
»Ausgerechnet du musst das fragen. Dir ist es doch egal, was geschieht, selbst wenn die Vystiden auf uns aufmerksam werden. Wenn sie dahinterkommen, dass du ein verdammtes Monster versteckst.«
»Germa ist ein kleines Mädchen! Sie ist ...«
»Sie ist nicht wie wir. Sie gehört nicht zu uns. Sollen wir wegen ihr unsere eigenen Frauen und Kinder in Gefahr bringen?«
»Du kannst behaupten, von nichts gewusst zu haben, Lothar«, sagte Horm Brast eindringlich. »Ich werde das bestätigen, und niemand wird das Gegenteil beweisen können.«
»Ach ja?«, stieß Brasts Gegenüber hervor. »Dann lass dir gesagt sein, dass Aksel von Dhrau nicht der Mann ist, der viele Fragen stellt.«
»Wie sollte er jemals erfahren ...?«
»Auf der SOL haben manchmal selbst die Wände Ohren. Nein, Horm. Entweder du jagst dieses Monster zum Teufel – oder wir erledigen das für dich!«
Brast sah verzerrte Gesichter, die ihn anstarrten. Gleichzeitig wusste er, dass mit diesen Männern nicht zu reden war. Sie hatten ihren Standpunkt und würden niemals davon abweichen, egal was er ihnen erzählte.
Sein Schweigen legten sie offenbar als Ablehnung aus. Lothar schlug zu.
Horm Brast stöhnte unterdrückt. Aber dann biss er die Zähne zusammen und schnellte sich mit aller Kraft vor.
Das Netz zog ihn zurück. Er streckte die Arme aus und bekam Lothars Knöchel zu fassen. Der andere, darauf nicht gefasst, verlor den Halt.
»Macht ihn fertig!«, schrie Lothar wütend.
Unvermittelt lag Horm Brast unter einer fünffachen Übermacht begraben. Blindlings droschen sie auf ihn ein, behinderten sich dabei in ihrem blinden Zorn jedoch gegenseitig.
Hatte der Solaner eben noch Panik empfunden, so erfasste ihn nun eine tiefe innere Ruhe. Sein Vorteil war es, dass er sich nicht von seinen Gefühlen, sondern von seinem Verstand leiten ließ. Fast war es wie zu jenen Zeiten, als es die Bordnomaden noch gegeben hatte.
In
Weitere Kostenlose Bücher