Atlantis
mach schon, Pete. Wenn wir irgendwas tun wollen, dann tun
wir’s. Ich werde mit dir aber nirgends hinfahren. Ich muss wirklich lernen.«
»Wir fahren nicht weg.«
Wir setzten uns wieder in Bewegung. Der Steam-Plant-Parkplatz kam mir zu jener Zeit riesig vor - Hunderte von Autos parkten in Dutzenden mondbeschienener Reihen. Ich konnte mich kaum noch entsinnen, wo ich den alten Ford Kombi meines Bruders abgestellt hatte. Als ich das letzte Mal an der University of Maine gewesen bin, war der Parkplatz dreimal, vielleicht sogar viermal so groß und bot Platz für tausend oder mehr Wagen. Die Zeit vergeht, und alles wird größer, nur wir nicht.
»He, Pete?« Sie ging neben mir her. Schaute wieder auf ihre Turnschuhe hinunter, obwohl wir jetzt auf dem Asphalt waren und es keine Blätter mehr gab, in denen sie rascheln konnte.
»Mhm-hmh.«
»Ich will nicht, dass du dich meinetwegen von Annmarie trennst. Ich hab nämlich das Gefühl, dass das mit uns … nichts Dauerhaftes ist. In Ordnung?«
»Ja.« Was sie sagte, machte mich unglücklich - es törnte echt ab , wie die Bürger von Atlantis sagten -, aber es überraschte mich eigentlich nicht. »Ich schätze, das muss es wohl sein.«
»Ich mag dich, und ich bin im Augenblick gern mit dir zusammen, aber mehr auch nicht, und es ist das Beste, ehrlich zu sein. Falls du also den Mund halten willst, wenn du in den Ferien nach Hause fährst …«
»Du meinst, ich soll sie zu Hause sozusagen in der Hinterhand behalten? Wie einen Ersatzreifen, falls es hier am College’nen Platten gibt?«
Sie machte ein verblüfftes Gesicht, dann lachte sie. »Touché«, sagte sie.
» Touché wofür?«
»Das weiß ich nicht mal, Pete … aber ich mag dich wirklich.«
Sie blieb stehen, drehte sich zu mir und legte mir die Arme um den Hals. Wir küssten uns eine Weile zwischen zwei Wagenreihen, küssten uns, bis ich einen ziemlich ordentlichen Ständer hatte, einen, den sie bestimmt spürte. Dann gab sie mir einen letzten kleinen Kuss auf die Lippen, und wir gingen weiter.
»Was hat Sully gesagt, als du’s ihm erzählt hast? Ich weiß nicht, ob ich dich das fragen soll, aber …«
»… aber du willst Informationen «, sagte sie im brüsken Ton von Nummer 2. Dann lachte sie. Es war ein reumütiges Lachen. »Ich hatte damit gerechnet, dass er wütend sein oder vielleicht sogar weinen würde. Sully ist groß, und er jagt den Footballspielern, gegen die er antritt, eine Heidenangst ein, aber er ist ziemlich dünnhäutig. Womit ich nicht gerechnet hatte, war Erleichterung.«
»Erleichterung?«
»Erleichterung. Er geht seit einem Monat oder länger mit so einem Mädchen aus Bridgeport … na ja, Rionda, die Freundin meiner Mutter, hat mir erzählt, es ist eigentlich eine Frau, vielleicht vierundzwanzig oder fünfundzwanzig.«
»Klingt wie ein todsicheres Rezept für eine Katastrophe«, sagte ich und hoffte, es klänge gemessen und nachdenklich. In Wahrheit war ich entzückt. Natürlich war ich das. Und wenn der arme alte, gottverdammte, gutherzige John Sullivan in den Plot eines Country-Western-Songs
von Merle Haggard stolperte, tja, dann würden vierhundert Millionen Rotchinesen sich den Teufel drum scheren, und für mich galt das in doppeltem Maße.
Wir waren fast bei meinem Wagen angekommen. Es war nur ein x-beliebiger Schrotthaufen unter all den anderen, aber dank meinem Bruder gehörte er mir. »Er hat mehr im Kopf als nur seine neue Liebesgeschichte«, sagte Carol. »Wenn er im nächsten Juni mit der Highschool fertig ist, geht er zur Army. Er hat schon mit dem Rekrutierungsoffizier gesprochen und alles geregelt. Er kann es gar nicht erwarten, nach Vietnam zu kommen und die Welt zu einem sicheren Ort zu machen, wo Demokratie einkehren kann.«
»Hattest du Streit mit ihm wegen des Krieges?«
»Nein. Was hätte das für einen Zweck? Und was sollte ich ihm schon erzählen? Dass es für mich nur um Bobby Garfield geht? Dass alles, was Harry Swidrowski und George Gilman und Hunter McPhail sagen, mir im Vergleich dazu, dass Bobby mich den Broad Street Hill raufgetragen hat, wie ein Haufen Taschenspielertricks vorkommt? Sully würde mich für verrückt halten. Oder behaupten, es läge daran, dass ich zu klug sei. Sully hat Mitleid mit Leuten, die zu klug sind. Er hält das für eine Krankheit. Und vielleicht hat er recht. Ich liebe ihn irgendwie, weißt du. Er ist süß. Außerdem ist er so ein Typ, der jemanden braucht, der sich um ihn kümmert.«
Und ich hoffe, er findet jemanden,
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