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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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was jemals irgendjemand für mich getan hat. Verstehst du das, Pete?«
    »Ja. Das verstehe ich.«
    Ich verstand auch noch etwas anderes: Sie sagte fast genau dasselbe, was Nate keine Stunde zuvor gesagt hatte … nur dass sie mitdemonstriert hatte. Sie hatte eins der Schilder genommen und damit demonstriert. Nate Hoppenstand war natürlich auch nie von drei Jungs zusammengeschlagen worden, die anfangs nur Spaß und dann auf einmal Ernst gemacht hatten. Und vielleicht bestand genau darin der Unterschied.
    »Er hat mich diesen Hügel hinaufgetragen«, sagte sie. »Ich wollte ihm immer sagen, wie sehr ich ihn dafür liebte - und wie sehr ich ihn dafür liebte, dass er Harry Doolin gezeigt hat, dass man dafür bezahlen muss, wenn man jemanden verletzt, erst recht jemanden, der kleiner ist als man selbst und einem nichts Böses will.«
    »Deshalb hast du demonstriert.«
    »Ganz recht. Ich wollte jemandem erklären, warum ich’s getan habe. Ich wollte es jemandem erklären, der es verstehen würde. Mein Vater wird’s nicht verstehen, und meine Mutter kann es nicht verstehen. Ihre Freundin Rionda hat mich angerufen und gesagt …« Sie sprach nicht zu Ende, sondern saß nur auf dem Milchkasten und fummelte an ihrer kleinen Handtasche herum.
    »Was hat sie gesagt?«

    »Nichts.« Sie klang erschöpft und verlassen. Ich hätte sie gern geküsst oder wenigstens in den Arm genommen, aber ich befürchtete, wenn ich eins von beidem tat, würde ich zerstören, was gerade geschehen war. Denn es war etwas geschehen. In ihrer Geschichte lag ein Zauber. Nicht im Zentrum, sondern eher irgendwo an den Rändern. Ich spürte es.
    »Ich habe demonstriert, und ich glaube, ich werde ins Widerstandskomitee eintreten. Meine Zimmergenossin meint, ich bin verrückt, ich kriege nie einen Job, wenn eine kommunistische Studentengruppe in meinen College-Unterlagen auftaucht, aber ich glaube, ich tu’s trotzdem.«
    »Und dein Vater? Was ist mit dem?«
    »Der kann mich mal.«
    Einen Moment lang waren wir beide ein bisschen schockiert, als wir darüber nachdachten, was sie gerade gesagt hatte, dann kicherte Carol. »Also, jetzt lässt Freud aber wirklich grüßen.« Sie stand auf. »Ich muss wieder zurück, weiterlernen. Danke, dass du gekommen bist, Pete. Ich habe dieses Bild noch niemandem gezeigt. Ich hab es mir selbst schon wer weiß wie lange nicht mehr angesehen. Jetzt geht’s mir besser. Viel besser.«
    »Gut.« Ich stand ebenfalls auf. »Bevor du wieder reingehst, würdest du mir wohl helfen, etwas zu tun?«
    »Klar. Was denn?«
    »Ich werd’s dir zeigen. Es dauert nicht lange.«
    Ich ging mit ihr am Holyoke entlang, dann stiegen wir den Hügel dahinter hinauf. Ungefähr zweihundert Meter entfernt war der Steam-Plant-Parkplatz, wo Studenten, die keine Parkaufkleber bekamen (Studenten im ersten und zweiten Studienjahr und die meisten im dritten Studienjahr),
ihre Wagen abstellen mussten. Es war der beliebteste Platz zum Knutschen auf dem Campus, wenn es kalt wurde, aber an diesem Abend war ich nicht darauf aus, in meinem Wagen herumzuknutschen.
    »Hast du Bobby jemals erzählt, wer sich seinen Baseballhandschuh unter den Nagel gerissen hatte?«, fragte ich. »Du hast gesagt, du hättest ihm geschrieben.«
    »Was hätte es genutzt?«
    Wir gingen eine kleine Weile schweigend weiter. Dann sagte ich: »Ich werde mich in den Thanksgiving-Ferien von Annmarie trennen. Ich war drauf und dran, sie anzurufen, hab’s dann aber doch gelassen. Wenn ich es mache, dann sollte ich schon den Mut aufbringen, es ihr von Angesicht zu Angesicht zu sagen.« Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich eine solche Entscheidung getroffen hatte, jedenfalls nicht bewusst, aber offenbar war es so. Ich sagte das jedenfalls garantiert nicht nur, um Carol eine Freude zu machen.
    Sie nickte, raschelte mit ihren Turnschuhen durchs Laub und hielt ihre kleine Tasche in einer Hand, ohne mich anzusehen. »Ich musste das per Telefon erledigen. Hab S-J angerufen und ihm erklärt, ich würde mit jemandem gehen.«
    Ich blieb stehen. »Wann?«
    »Letzte Woche.« Jetzt blickte sie zu mir hoch. Grübchen; leicht gebogene Unterlippe; das Lächeln.
    »Letzte Woche? Und du hast mir nichts davon erzählt?«
    »Das war meine Sache«, sagte sie. »Meine und Sullys. Ich meine, es ist ja nicht so, als würde er mit einem …« Sie hielt lange genug inne, dass wir beide denken konnten, mit einem Baseballschläger auf dich losgehen, dann fuhr sie fort: »Als würde er auf dich losgehen oder so. Nun

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