Atlantis
dachte ich. Solange du es nicht bist.
Sie musterte meinen Wagen mit verständnisvoller Miene. »Okay«, sagte sie. »Er ist hässlich, er müsste dringend mal gewaschen werden, aber er ist ein Transportmittel. Die Frage
ist: Was machen wir hier, obwohl ich eigentlich eine Geschichte von Flannery O’Connor lesen sollte?«
Ich holte mein Taschenmesser heraus und klappte es auf. »Hast du eine Nagelfeile in deiner Handtasche?«
»Ja, habe ich. Wollen wir kämpfen? Nummer 2 und Nummer 6 tragen es auf dem Steam-Plant-Parkplatz miteinander aus?«
»Keine superklugen Sprüche! Hol sie einfach raus und komm mit.«
Als wir zum Heck des Kombis kamen, lachte sie - nicht das klägliche Lachen, sondern das herzliche, schallende Lachen, das ich zum ersten Mal gehört hatte, als Skips geiler Hotdog-Mann auf dem Förderband in die Küche gekommen war. Endlich begriff sie, weshalb wir hier waren.
Carol nahm eine Seite des Aufklebers an der Stoßstange, ich die andere. Wir trafen uns in der Mitte. Dann sahen wir zu, wie die Fetzen über den Asphalt davongeweht wurden. Au revoir, AuH 2 O- 4 -USA. Bye-bye, Barry Goldwater. Und wir lachten. Wir mussten so lachen, dass wir gar nicht mehr aufhören konnten.
22
Ein paar Tage später hängte mein Freund Skip, der mit dem politischen Bewusstsein einer Nacktschnecke ans College gekommen war, ein Poster in seiner Hälfte des Zimmers auf, das er mit Brad Witherspoon teilte. Es zeigte einen lächelnden Geschäftsmann in einem dreiteiligen Anzug, der eine Hand zur Begrüßung ausstreckte. Die andere war hinter seinem Rücken versteckt, aber von dem, was er darin
hielt, tropfte Blut zwischen seine Schuhe. KRIEG IST EIN GUTES GESCHÄFT stand auf dem Poster. INVESTIEREN SIE IHREN SOHN.
Dearie war entsetzt.
»Dann bist du jetzt also gegen Vietnam?«, fragte er, als er es sah. Ich glaube, unser geliebter Etagenaufseher war ungeachtet seines trotzig gereckten Kinns schwer geschockt von diesem Poster. Skip war auf der Highschool immerhin ein erstklassiger Baseballspieler gewesen. Und man erwartete von ihm, dass er auch auf dem College Baseball spielte. Sowohl die Verbindung Delta Tau Delta als auch Phi Gam hatten ihn umworben, beides Häuser für Sportler. Skip war kein kranker Krüppel wie Stoke Jones (Dearie Dearborn war ebenfalls dazu übergegangen, Stoke Ratz-Fatz zu nennen) und auch kein froschäugiger Spinner wie George Gilman.
»He, dieses Poster bedeutet nur, dass eine Menge Leute Geld mit einem großen, blutigen Schlamassel machen«, sagte Skip. »McDonnell-Douglas. Boeing. General Electric. Dow Chemical und Coleman Chemicals. Scheiß-Pepsi-Cola. Und viele andere.«
Dearies stechender Blick vermittelte den Eindruck (oder versuchte ihn zu vermitteln), dass er über solche Themen gründlicher nachgedacht hatte, als Skip Kirk es je könnte. »Ich will dir mal eine Frage stellen - meinst du, wir sollten uns einfach raushalten und zulassen, dass Onkel Ho da unten die Macht an sich reißt?«
»Ich weiß nicht, was ich meine«, sagte Skip. »Noch nicht. Ich hab gerade erst vor ein paar Wochen angefangen, mich für das Thema zu interessieren. Ich bin noch dabei, meinen Rückstand aufzuholen.«
Das war um halb acht Uhr morgens, und eine kleine Gruppe, die auf dem Weg zu den um acht Uhr beginnenden Kursen war, hatte sich um Skips Tür herum versammelt. Ich sah Ronnie (mit Nick Prouty; mittlerweile waren die beiden unzertrennlich geworden), Ashley Rice, Lennie Doria, Billy Marchant und vielleicht vier oder fünf andere. Nate lehnte in einem T-Shirt und seiner Pyjamahose im Eingang von 302. Im Treppenhaus stützte sich Stoke Jones auf seine Krücken. Er war anscheinend auf dem Weg nach draußen gewesen und hatte kehrtgemacht, um die Diskussion zu verfolgen.
Dearie sagte: »Wenn der Vietcong in ein südvietnamesisches Dorf kommen, suchen sie als Erstes nach Leuten, die Kruzifixe, Christophorus-Medaillons, Muttergottes-Medaillons und solche Sachen tragen. Katholiken werden umgebracht. Leute, die an Gott glauben, werden umgebracht. Meinst du, wir sollten uns raushalten, wenn die Commies Leute umbringen, die an Gott glauben?«
»Warum nicht?«, sagte Stoke vom Treppenhaus her. »Wir haben uns sechs Jahre lang rausgehalten und zugelassen, dass die Nazis die Juden umgebracht haben. Juden glauben an Gott, das hat man mir jedenfalls erzählt.«
»Ratz-Fatz, du blödes Arschloch!«, rief Ronnie. »Wer, zum Teufel, hat dich gebeten, Klavier zu spielen?«
Aber da war Stoke Jones alias Ratz-Fatz
Weitere Kostenlose Bücher