Atlantis
sie wie ein göttlicher Hilfstrupp abholten - Gott segne euch Hueys, Gott segne euch, oh, Gott segne euch alle. Er war zu der Lichtung und den Hubschraubern gelaufen, während ihm die Kugeln um die Ohren pfiffen und Körperteile made in America auf dem Pfad herumlagen, wo die Mine, die
versteckte Bombe oder was zum Teufel auch immer hochgegangen war.
Ich bin blind, hatte er geschrien, während er Sullivan trug und spürte, wie Sullivans Blut seine Uniform durchnässte, und Sullivan hatte ebenfalls geschrien. Wenn Sullivan aufgehört hätte zu schreien, hätte Willie den Mann dann einfach von der Schulter gleiten lassen und wäre allein weitergelaufen, um dem Hinterhalt zu entkommen? Wahrscheinlich nicht. Denn inzwischen wusste er, wer Sullivan war, er wusste genau, wer er war - Sully aus seinem alten Heimatort, Sully, der Freund von Carol Gerber aus seinem alten Heimatort.
Ich bin blind, ich bin blind, ich bin blind! Das schrie Willie Shearman, während er Sullivan trug, und es stimmt, dass ein großer Teil der Welt grellweiß war, bombenweiß, aber er erinnert sich noch daran, dass er gesehen hat, wie Kugeln durch Blätter fetzten und in Baumstämme schlugen; erinnert sich noch, dass er gesehen hat, wie einer der Männer, die vorher im Dorf gewesen waren, sich mit der Hand an den Hals griff. Er erinnert sich, das Blut gesehen zu haben, das wie ein Sturzbach durch die Finger dieses Mannes quoll und seine Uniform tränkte. Einer der anderen Männer von der Delta-Kompanie Zwo-Zwo - Pagano war sein Name gewesen - packte diesen Burschen um den Leib und rannte mit ihm an dem taumelnden Willie Shearman vorbei, der wirklich nicht sehr viel sehen konnte. Er schrie Ich bin blind ich bin blind ich bin blind und roch Sullivans Blut, den Gestank von Sullivans Blut. Und im Hubschrauber war dieses Weiß immer greller geworden. Sein Gesicht war verbrannt, seine Haare waren verbrannt, seine Kopfhaut war verbrannt, die Welt war weiß. Er war versengt, und er rauchte, einer unter vielen anderen, die der Hölle entronnen
waren. Er hatte geglaubt, er würde nie wieder sehen können, und das war tatsächlich eine Erleichterung gewesen. Aber natürlich hatte er wieder sehen können.
Nach einiger Zeit.
Die Frau im roten Blazer ist bei ihm angekommen. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragt sie.
»Nein, Ma’am«, sagt Blind Willie. Sein Stock, der unablässig in Bewegung ist, tippt nicht mehr auf den Boden, sondern hängt forschend über der Leere. Er pendelt hin und her, misst die Seiten der Treppe. Blind Willie nickt und geht dann vorsichtig, aber selbstbewusst weiter, bis er das Geländer mit der Hand berührt, in der er den klobigen Koffer hält. Er nimmt den Koffer in die Hand mit dem Stock, sodass er das Geländer ergreifen kann, und dreht sich dann zu der Frau um. Er achtet darauf, sie nicht direkt anzulächeln, sondern eine Stelle ein wenig links von ihr. »Nein danke - ich komme schon zurecht. Frohe Weihnachten.«
Er geht die Treppe hinunter, tippt dabei unentwegt vor sich auf die Stufen und hält den großen Koffer trotz des Stocks mühelos fest - er ist leicht, so gut wie leer. Später wird das natürlich anders sein.
10:15 Uhr
Die Fifth Avenue ist für die Feiertage herausgeputzt - Flitter und Tand, die er kaum sehen kann. Die Straßenlaternen tragen Girlanden aus Stechpalmenzweigen. Die großen Kaufhäuser haben sich in grellbunte Weihnachtspakete verwandelt, komplett mit gigantischen roten Schleifen. Ein Kranz von ungefähr zwölf Meter Durchmesser schmückt die seriöse
beigefarbene Fassade von Brooks Brothers. Überall blinken Lichter. Im Schaufenster von Saks sitzt ein Top-Mannequin (hochnäsige Leckt-mich-Miene, fast keine Titten oder Hüften) breitbeinig auf einem Harley-Davidson-Motorrad. Sie trägt eine Weihnachtsmannsmütze, eine Motorradjacke mit Pelzbesatz, schenkelhohe Stiefel und sonst nichts. Am Lenker des Motorrads hängen silberne Glocken. Irgendwo in der Nähe intonieren Sternsinger »Stille Nacht«, nicht gerade Blind Willies Lieblingslied, aber erheblich besser als »Hörst du, was ich höre«.
Wie immer bleibt er vor St. Patrick’s, gegenüber von Saks, stehen und lässt die mit Paketen beladenen Kauflustigen an sich vorbeiströmen. Seine Bewegungen sind jetzt schlicht und würdevoll. Sein Unbehagen auf der Herrentoilette - dieses Gefühl von unbeholfener Nacktheit, die gleich für alle sichtbar sein wird - ist verflogen. Ihm ist so katholisch wie nie zumute, wenn er hier ankommt. Immerhin war er
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