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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Anruf entgegennehmen, aber Sie können nach dem Piepton eine Nachricht hinterlassen.«
    Pi-iep.
    Er lauscht angespannt, steht mit geballten Fäusten über seinem frisch verzierten Schild.
    »Hallo, hier ist Ed von den NYNEX Yellow Pages«, sagt die Stimme aus dem Gerät, und Willie stößt den Atem aus, den er angehalten hatte, ohne es zu merken. Seine Hände entspannen sich. »Ein Vertreter Ihrer Firma möchte mich doch bitte unter 1-800-555-1000 zurückrufen - ich habe Informationen für Sie, wie Sie Ihre Werbeflächen in beiden Ausgaben der Gelben Seiten vergrößern und gleichzeitig auf
Ihrer Jahresrechnung viel Geld sparen können. Frohe Weihnachten Ihnen allen! Danke.«
    Klick.
    Willie sieht den Anrufbeantworter noch etwas länger an, fast so, als erwarte er, dass er wieder zu sprechen beginnt - ihn bedroht, vielleicht ihn all der Verbrechen bezichtigt, deren er sich selbst bezichtigt -, aber nichts geschieht.
    »Alles in Ordnung«, sagt er leise und legt das verzierte Schild in den Koffer zurück. Als er ihn diesmal zuklappt, verriegelt er ihn. Vorn auf dem Koffer ist ein Aufkleber mit einem von kleinen amerikanischen Fahnen flankierten Text: ICH BIN STOLZ, GEDIENT ZU HABEN.
    »Alles in Ordnung, Baby, du kannst es ruhig glauben.«
    Er verlässt das Büro, schließt die Tür mit der Aufschrift MIDTOWN HEATING AND COOLING auf der Milchglasscheibe hinter sich und verriegelt alle drei Schlösser.

9:45 Uhr
    Auf halbem Wege den Flur hinunter sieht er Ralph Williamson, einen der dicklichen Buchhalter von Garowicz Financial Planning (soweit Willie gesehen hat, sind alle Buchhalter von Garowicz dicklich). In einer seiner rosa Hände hält Ralph einen Schlüssel, der mit einer Kette an einem alten Holzschild befestigt ist, und Willie schließt daraus, dass er einen Buchhalter vor sich sieht, der mal aufs Klo muss. Ein Schlüssel an einem Holzschild! Wenn ein beschissener Schlüssel an einem beschissenen Holzschild einen nicht an die Freuden der Konfessionsschule erinnert, an all die Nonnen mit haarigem Kinn und all die Hiebe mit Holzlinealen
auf die Knöchel, dann gar nichts, denkt er. Und weißt du was? Wahrscheinlich gefällt Ralph Williamson dieser Schlüssel am Holzschild, so wie es ihm gefällt, dass zu Hause ein Stück Seife mit Schnur am Warmwasserhahn seiner Dusche hängt, ein Stück Seife in der Form eines Kaninchens oder eines Zirkusclowns. Und was ist schon dabei? Richtet nicht, auf dass ihr verdammt noch mal nicht gerichtet werdet.
    »Na, Ralphie, wie sieht’s aus?«
    Ralph dreht sich um, erblickt Willie, und sein Gesicht leuchtet auf. »He, hallo, frohe Weihnachten!«
    Willie grinst über den Ausdruck in Ralphs Augen. Der kleine Fettsack verehrt ihn, und warum auch nicht? Ralph sieht einen Burschen vor sich, bei dem alles dermaßen in Ordnung ist, dass es schon wehtut. Muss man doch mögen, Herzchen, den muss man doch mögen.
    »Gleichfalls, Kumpel.« Er streckt die Hand aus (die jetzt in einem Handschuh steckt, damit er sich keine Gedanken darüber machen muss, dass sie zu weiß ist und nicht zu seinem Gesicht passt), die Handfläche erhoben. »Gib mir fünf!«
    Ralphie gehorcht mit schüchternem Lächeln und schlägt in Willies erhobene Hand.
    »Gib mir zehn!«
    Ralph dreht seine rosafarbene, schwammige Hand, sodass Willie diesmal in seine schlagen kann.
    »Super, das will ich gleich noch mal sehn!«, ruft Willie aus und schlägt erneut in Ralphs Hand. »Weihnachtseinkäufe schon erledigt, Ralphie?«
    »So gut wie«, sagt Ralphie grinsend und klimpert mit dem Toilettenschlüssel. »Ja, so gut wie. Und du, Willie?«

    Willie zwinkert ihm zu. »Ach, du weißt ja, wie’s ist, Mann. Ich hab zwei, drei Frauen, und ich lass mir einfach von jeder’n kleines Andenken besorgen.«
    Ralphs bewunderndes Lächeln besagt, dass er eigentlich nicht weiß, wie es ist, es aber liebend gern wüsste. »Auftrag reingekommen?«
    »So viele, dass ich bestimmt den ganzen Tag unterwegs bin. Ist jetzt die Zeit dafür, weißt du.«
    »Bei dir scheint’s immer die Zeit dafür zu sein. Das Geschäft muss ja gut laufen. Du bist so gut wie nie in deinem Büro.«
    »Deshalb hat Gott uns den Anrufbeantworter geschenkt, Ralphie. Jetzt beeil dich lieber, sonst hast du gleich’nen nassen Fleck in deiner besten Gabardinehose.«
    Lachend (und ein bisschen errötend) macht Ralph sich auf den Weg zur Herrentoilette.
    Willie geht mit seinem Koffer in einer Hand weiter zu den Fahrstühlen und vergewissert sich unterwegs mit der andern, dass

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