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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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»Nein, ich …«
    »Dann halt ganz einfach die Klappe.« Sie machte kehrt und wollte weggehen, doch ich streckte die mit dem Handtuch umwickelte Hand aus und berührte damit ihren Arm.
    »Vielleicht komme ich doch mit«, sagte ich.
    »Warum? Damit du den Wachhund spielen kannst?«
    »Wenn du es so nennen willst. Ja, dann spiele ich eben den Wachhund.«
    »Na okay. Dann bis morgen um eins.«

4
    Am Abend stand ich auf der Terrasse und spähte in die Dunkelheit, um Ausschau nach Fledermäusen und Glühwürmchen zu halten. Dabei beugte ich mich so weit über die Brüstung, dass mir das Blut in den Kopf stieg.
    Plötzlich riss mich die Stimme meiner Mutter aus meinen Beobachtungen. »Was machst du denn da, Ryan?«
    Abrupt richtete ich mich auf, wobei mir leicht schwummerig wurde. »Nichts.« Das war die Antwort, die ich immer gab, damit sie sich nicht unnötig aufregte. Dad und ich hatten da so etwas wie ein stillschweigendes Abkommen.
    Sie stand mit verkniffenem Gesicht an der Tür. »Ich habe gefragt, was du da machst.«
    »Jedenfalls habe ich nicht die Absicht, nach unten zu springen, falls du das befürchten solltest.« Die Terrasse lag ebenerdig. Selbst ich war nicht so blöd, aus einer derart geringen Höhe einen Selbstmordversuch zu unternehmen. Schlimmstenfalls würde ich mir dabei das Fußgelenk verstauchen.
    Sie zuckte zusammen.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    Wenn ich so etwas in Gegenwart von Dr. Briggs gesagt hätte, hätten meine Mutter und ich unser gesamtes Gespräch auseinandernehmen müssen, um jede verborgene (und auch jede offenkundige) Bedeutung herauszuklamüsern. Warum hatte ich das gesagt? Wie wirkte es auf meine Mutter? Warum war sie zusammengezuckt? Was meinte ich dazu, dass sie zusammengezuckt war? In den Tagen unmittelbar nach meiner Entlassung aus der Klinik hätte Mom mir eine solche Bemerkung nie durchgehen lassen. Jetzt wechselte sie lediglich das Thema.
    »Morgen kommt dein Vater nach Hause – falls diese Unwetter in New York ihn nicht aufhalten. Natürlich wäre es mir lieber, man würde den Flug streichen, statt bei einem solchen Wetter zu fliegen. Ich weiß noch nicht einmal, ob sein Flugzeug in London überhaupt die Starterlaubnis bekommt, wenn es hier drüben so stürmt und gewittert …«
    Nach einer ausführlichen Analyse des Wetters und des Flugverkehrs auf beiden Seiten des Atlantiks verstummte sie. »Möchtest du nicht reinkommen?«, fragte sie zum Abschluss.
    »Noch nicht.«
    Nach kurzem Zögern schob sie von innen die Glastür zu, blieb aber im Wohnzimmer stehen und wartete. Ich wartete ebenfalls, doch sie rührte sich nicht von der Stelle. Ich hasste es, so beobachtet zu werden.
    Meine Beinmuskeln verkrampften sich. Als ich die Beine ausschüttelte, wurde mir plötzlich klar, dass ich unbedingt wieder joggen gehen wollte. Schon seit Monaten spielte ich mit dem Gedanken, wieder damit anzufangen, doch immer, wenn ich kurz davor war, es wirklich zu tun, hielt mich etwas davon ab. Es war stets, als hinge eine Glasscheibe vor mir, gegen die ich knallen würde, wenn ich mich zu schnell bewegte. Doch heute Abend hatte ich das Gefühl, nur von sommerlicher Luft umgeben zu sein.
    Als die Mücken mich schließlich schneller stachen, als ich sie erschlagen konnte, kehrte ich ins Haus zurück. »Na«, sagte Mom in munterem Ton, »gehst du jetzt ins Bett?«
    »Denke schon.«
    Sie sah mir hinterher, während ich die Treppe hochstieg. »Die Show ist vorbei«, murmelte ich, aber so leise, dass sie es nicht hören konnte.
    Oben in meinem Zimmer checkte ich als Erstes meine Mails. Ich hätte Val gern von Nickis Plan erzählt, um zu hören, ob sie die ganze Idee für genauso verrückt hielt wie ich, aber sie war nicht erreichbar.
    Nicki hatte mich zu sich nach Hause bestellt. Kent würde uns nach Seaton fahren und dort absetzen. Nicht dass Kent gewusst hätte, dass wir auf geheimer übersinnlicher Mission unterwegs waren, um seinen toten Vater zu kontaktieren. Er hatte ohnehin was in der Stadt zu tun, und Nicki hatte gedroht, mir die Augen auszukratzen, falls ich ihm erzählte, wo wir hinwollten.
    Die Thorntons wohnten unten an der Route 7, in einem Schuhkarton von Haus mit einem Rasen, der mehr aus nackter Erde als aus Gras bestand. Irgendjemand hatte mal einen Haufen Mulch oder Kompost dort abgeladen, als habe er was damit vor, doch der lag schon so lange da, dass er inzwischen mit Unkraut überwachsen war.
    Als Kent mich zusammen mit Nicki sah, zog er die Augenbrauen hoch, sagte aber

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