Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
Vom Netzwerk:
Hand. Ich schloss die Augen, um die Sonne, die mir ins Gesicht schien, besser genießen zu können. Und um Nickis Berührung voll auszukosten, von deren Hand mich nichts trennte als ein dünnes Baumwollshirt.
    Am Abend kehrte mein Vater von seiner Reise zurück, und während wir uns wieder mal ein Baseballspiel ansahen, schlief er ein. Selbst als ich beim achten Inning einen berühmten Batter anfeuerte, einen Walk zu machen, wachte er nicht auf. Der Batter schaffte einen Home Run.
    »Hab dir doch gesagt, du sollst einen Walk machen«, teilte ich dem Fernseher mit und suchte mir zwischen den Körnern, die nicht aufgegangen waren, das letzte Popcorn heraus. Dad schnarchte weiter.
    Während des neunten Innings, als gerade ein Pitcherwechsel stattfand, wachte er auf. »Wie steht das Spiel?«
    »Unentschieden. Es geht also noch weiter.«
    »Oh.« Er strich sich übers Gesicht, das voll grauer Bartstoppeln war, nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Da bin ich ja offenbar gerade rechtzeitig aufgewacht.«
    In der Pause wurde ein Werbespot für Bier gezeigt, in dem ein Typ mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug sprang. »Das werde ich an meinem achtzehnten Geburtstag machen«, verkündete ich.
    Dad setzte sich die Brille wieder auf. Er hatte eine entspiegelte Brille, sodass ich seine Augen erkennen konnte, als ob das Gestell leer sei und die Gläser gar nicht existierten. »Denkst du da immer noch dran?«
    »Ja. Ich hab noch mal recherchiert. Man muss achtzehn sein. Deshalb werde ich es an meinem achtzehnten Geburtstag machen.«
    »Dann bekommt deine Mutter einen Herzinfarkt.«
    »Das wird nicht nur meine Schuld sein.«
    Das sagte ich, ohne zu überlegen. Auf meinen Dad wirkten meine Worte wie ein Schlag ins Gesicht. Mich selbst überraschten sie ebenfalls.
    »Was soll das heißen?«, fragte er.
    »Meinst du nicht auch, dass sie ernste Probleme hat?« Ich hatte mich so daran gewöhnt, mich als den Kranken in der Familie zu betrachten, dass ich mir erst jetzt eingestand, wie nahe meine Mutter einem Zusammenbruch war. Ich dachte daran, wie rigoros sie alles kontrollierte – aus Angst wovor? –, dass sie mitten in der Nacht auf dem Laufband trainierte und ihr Essen in symmetrische Teile zerschnitt. Und das lag nicht nur an mir und jener Nacht in der Garage. Soweit ich mich erinnern konnte, war sie schon immer so gewesen. »Sie ist irgendwie … verkrampft.« Ich konnte es einfach nicht fassen, dass ich ihm das erklären musste. War ihm denn gar nichts aufgefallen?
    Er runzelte die Stirn. »Deine Mutter neigt dazu, sich Sorgen zu machen. Sie war schon immer sehr ängstlich.« Und ich hatte nicht gerade dazu beigetragen, dass sie sich weniger Sorgen machen musste. »Aber sie war immer für dich da. Vor allem deinetwegen hat sie sich einen Job gesucht, den sie zu Hause erledigen kann.«
    »Ich dachte, das hat sie getan, damit sie genug Zeit in diesem Haus verbringen kann.«
    »Sei nicht albern. Das hat sie für dich getan.« Seine Stimme klang merkwürdig rau. »Nach deinem Klinikaufenthalt meinte sie, dass ich weniger auf Reisen gehen und mehr Zeit zu Hause verbringen sollte.« Er machte eine Pause, um dann so zögerlich fortzufahren, dass ich fast hören konnte, wie er jedes Wort auf die Goldwaage legte. »Doch dann beschloss sie, zu Hause zu arbeiten, und ich war der Ansicht, dass es nicht gut wäre, dich zu sehr ans Gängelband zu nehmen. Deshalb hielt ich es für besser, wieder zu meinem normalen Arbeitsablauf zurückzukehren.«
    »Da hattest du recht.« Nicht dass ich etwas dagegen gehabt hätte, meinen Vater öfter zu sehen. Aber wenn sie beide das letzte Jahr damit verbracht hätten, mir nicht von der Pelle zu gehen und auf jeden Atemzug, den ich machte, zu achten, wäre ich wahrscheinlich lange vor Jake wieder in der Klinik gelandet.
    Andererseits stellte sich die Frage, ob Mom sich entspannen würde, falls Dad öfter zu Hause war. Wieso musste sie denn rund um die Uhr mein Babysitter sein? Hatte sie gar kein Interesse daran, manchmal von hier wegzukommen und vielleicht selbst über den Ozean zu fliegen?
    Doch ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie sich wirklich entspannte und aufhörte, eine elektrisch geladene Atmosphäre um sich zu verbreiten. »Ich meine ja nur«, sagte ich zu Dad, »dass sie sich vielleicht eher Sorgen um sich als um mich machen sollte.«
    Er nahm abermals seine Brille ab und rieb sich übers Gesicht, sodass ich seine Augen nicht sehen konnte. Im Fernsehen ging

Weitere Kostenlose Bücher