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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Theoderichs Arm.
    «Los», sagte Aëtius. «Wir bringen ihn ins Emmanuel-Hospiz.»
    Theoderichs Wunde sah entsetzlich aus. Ohne zu wissen, weshalb, ließ Aëtius Gamaliel rufen. Das Hospiz war nicht einmal voll, es waren nur ganz wenige Verletzte unter den Verteidigern. Der alte Quacksalber kam herbeigeeilt, den abgewetzten grauen Rock über die hageren weißen Knöchel gelüpft. Aëtius und Thorismund redeten gleichzeitig auf ihn ein, und er hieß sie schweigen.
    Der verwundete junge Mann lag auf dem Rücken, mit kreideweißem Gesicht, die Stirn schweißbedeckt. Immer wieder verlor er das Bewusstsein. Gamaliel nahm ihm vorsichtig die schmutzigen Lappen ab, die als Notverband dienten. Er sagte nichts.
    «Er hat mindestens sechs oder sieben getötet!», sagte Thorismund. «Einer der bulligen Krieger hatte mindestens doppelt so breite Schultern wie er. Theodorichs Schwert bohrte sich direkt durch ihn hindurch. Doch im Sterben hieb ihm der Krieger sein Schwert auf den Arm und –»
    Unter Tränen verstummte er und barg das Gesicht in der Armbeuge. Aëtius legte dem vom Schluchzen übermannten Jungen die Hand auf die Schulter.
    «Bei einer Amputation wegen Wundbrands ist das Entscheidende, viel Knochen wegzuschneiden und dafür mehr Gewebe zum Zwecke besserer Heilung übrigzulassen», sagte Gamaliel.
    Thorismund sah auf, die Augen voller Tränen.
    «Doch unser Patient ist noch jung», fuhr Gamaliel fort, «und Gott ist voller Gnade. Es kommt vielleicht gar nicht zu einer Amputation, wir wissen es nicht. Wie heißt es doch im ersten Aphorismus des Hippokrates: ‹Das Leben ist kurz, die Kunst weit, der günstige Augenblick flüchtig, der Versuch trügerisch, die Entscheidung schwierig.›» Er lächelte die beiden erschöpften Soldaten freundlich an und setzte sanft hinzu: «Das hielt ich immer für eine gute Lebensregel. Wie auch immer», sagte er, wieder in einen barschen Tonfall wechselnd, «bevor wir die grausame Methode der Amputation anwenden, sollten wir es mit dem Abbinden der Gefäße versuchen, einer Heilmethode, die sowohl Hippokrates wie auch dem alten Narren Galen unbekannt ist, aber von den Ärzten Indiens weithin praktiziert wird – ebenso wie eine großzügige Anwendung mit Eigelb, Rosenöl und Terpentinöl. Schließlich bleiben die beiden großartigen Heilmittel Zeit und Hoffnung.»
    «Schlaf jetzt, mein Junge», sagte er schließlich zu Thorismund. «Du kannst hier schlafen. Wenn du aufwachst, sprich zu deinem Bruder. Selbst wenn er nicht bei Bewusstsein ist, sprich zu ihm. Spielst du ein Instrument?»
    Thorismund sah ihn fragend an. «Laute. Wenn auch schlecht.»
    Gamaliel wandte sich an Aëtius. «Besorgt dem Knaben eine Laute.» Und zu Thorismund sagte er: «Spielt ihm auf der Laute vor. Auch wenn du sie nur schlecht beherrschst.»
    * * *
    Ein letztes Ereignis beschloss den schrecklichen Tag. Tatullus hatte eiserne Haken in den halb zerstörten Belagerungsturm getrieben und lange, bis auf den Boden herabreichende Seile daran befestigt. Ein Ochsengespann wartete mit gesenkten Köpfen in der schattigen Kühle des Abends. Ein Peitschenknall erklang, und die Ochsen setzten sich in Bewegung. Zwei der mächtigen Taue spannten sich. Die Ochsen brüllten unter der Last, ihre Hufe traten ins Leere. Dutzende von Bürgern packten die zitternden Taue und johlten dabei, als ginge es um einen Wettstreit mit der Nachbarschaft. Der Belagerungsturm ächzte und neigte sich allmählich zur Seite. Die Hunnen, die noch immer mit dem Rammbock zugange waren, mittlerweile aber jede Hoffnung aufgegeben hatten, blickten hinauf und ahnten, was gleich geschehen würde. Der Turm neigte sich noch mehr, dann noch mehr – bis schließlich der Neigungspunkt überwunden war und die Schwerkraft den Rest erledigte.
    Wie ein gewaltiger, von Riesen gefällter Baum sank der menschenleere Belagerungsturm in traumgleicher Langsamkeit zu Boden und krachte auf die Schildkröte, wobei sowohl diese als auch der Turm wie Streichhölzer zerbarsten. Die Männer am Rammbock hatten rechtzeitig das Weite gesucht, sodass niemand verletzt wurde. Ihr Kampfgeist war nun endgültig dahin. Zusammen mit den überlebenden Kriegern flohen sie über die zerstörte mittlere und äußere Stadtmauer, sie drängelten sich an den Behelfsbrücken, einige sprangen kopflos sogar ins Wasser.
    Zum endgültigen Abschied knieten die Wolfskrieger ruhig auf den Zinnen nieder, spannten den Bogen und nahmen den fliehenden Feind ins Visier. Schweigsam und gnadenlos

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