Attila - Die Welt in Flammen
töteten sie einen um den anderen. Es war kein Pfeilhagel, sondern ein überlegenes, gezieltes Töten. Für die Belagerer, die in rasender Eile die Ebene hinter sich zu lassen versuchten, war es die erste Niederlage, die ihnen je beigebracht worden war. Als sie die eigenen Linien erreichten, erfuhren sie, dass ihr Herrscher Attila sich in sein Zelt zurückgezogen hatte.
21. NACHT UND REGEN
A ëtius war zu müde, um zu essen, aber er trank Wasser aus einem Becher, den ihm eine Frau auf der Straße reichte. Ohne seinen Helm, schweißüberströmt und staubbedeckt, erkannte sie ihn nicht und nannte ihn «mein Schatz». Er trank, reichte ihr den Becher zurück und dankte ihr höflich.
Bevor er in einen kurzen, unruhigen Schlaf sank, unterhielt er sich mit Tatullus, Malchus und Andronicus, mit Prinz Thorismund, der ernst und traurig und plötzlich viel älter wirkte, und auch mit Zeno von den Isauriern. Außerdem mit einem gewissen Portumnus, einem plumpen Mann, an die fünfzig Jahre alt, der sich selbst zum Anführer der Bürgerwehr ernannt zu haben schien. Man musste sich mit ihm abfinden, obwohl, so dachte Aëtius, die selbsternannten Anführer nicht immer die besten sind.
«Es war ein guter Tag», erklärte Malchus, wischte sein verkrustetes Schwert ab und grinste. «Sie haben eine Menge Verluste eingefahren. Und nicht wenige davon», er hielt sein Schwert aufrecht und betrachtete die nun wieder blitzende Klinge, «durch meine eigene Hand!»
Aëtius ließ sich nicht beeindrucken. «Sie halten aber auch eine Menge Verluste aus», sagte er grimmig. «Da draußen sind hunderttausend von ihnen. Wie viele haben wir heute getötet, zweihundert, höchstens dreihundert! Wir haben vielleicht ein Dutzend Männer verloren. Das klingt ermutigend, aber sie könnten noch ein ganzes Jahr so weiterkämpfen wie heute und brauchten sich noch immer nicht wegen ihrer Verluste Sorgen zu machen. Und wir? Bringt man euch in der Kavallerie eigentlich noch Mathematik bei, Hauptmann Malchus?»
Malchus schaute keineswegs schuldbewusst drein, reagierte aber nicht.
«Zudem sind zwei unserer Geschütze unbrauchbar, und unsere Mauern wurden arg in Mitleidenschaft gezogen. Wir haben weder die Männer noch die Energie, um sie wieder aufzubauen.»
«Die Leute der Bürgerwehr haben wie die Löwen gekämpft!», sagte Portumnus.
Aëtius nickte, und sogar Andronicus brummte zustimmend.
«Aber wenn wir – sofern wir überhaupt überleben – diese Schlacht hier gewinnen, dann hier oben.» Aëtius tippte sich an die Stirn. «Heute war der erste Tag in der Herrschaft Attilas, an dem er nicht genau das bekam, was er wollte. Keine Niederlage, das nicht, aber er muss gesehen haben, wie seine Männer zu ihm zurückströmten, ohne ihm anderes als ihre Schmerzen mitzubringen. Natürlich wird er zurückkommen. Aber heute Nacht werden einige seiner Männer zum ersten Mal an ihm zweifeln. Er kann ihr Vertrauen nur zurückgewinnen, indem er einen beispiellosen Triumph über uns erringt, daher wird er vermutlich mit geballter Kraft wiederkehren.» Seine Stimme klang ganz brüchig; er blickte über die kleinen Lagerfeuer der Visigoten, Isaurier, der Palatinischen Wache und der Bürgerwehr. Ein tapferer, wild zusammengewürfelter Haufen, und keine einzige echte römische Legion war bei ihnen. So weit war es schon gekommen.
«Mit jedem Tag aber, an dem die Hunnen uns nicht endgültig besiegen, schwindet ihr Vertrauen und ihre Kraft lässt nach. Das ist unsere einzige Hoffnung. Direkt zum Kampf herausfordern können wir sie nicht. Wir sind zu wenige.»
Schweigend brütete der Kriegsrat über seinen Worten. Kurz darauf legten sich alle schlafen.
* * *
Attila saß zähneknirschend in seinem Zelt und starrte dumpf auf seine geballten Fäuste. An diesem Tag war von Anfang an alles schiefgelaufen. Dass Konstantinopel nicht mit Viminacium zu vergleichen war, hatte er ja gewusst, doch jetzt musste er erkennen, dass es zehn-, ja hundertmal so schwierig werden würde. Dies war, so hieß es, die am stärksten befestigte Stadt der Welt. Nicht einmal die Städte Chinas hatten Mauern, die mit denen Konstantinopels zu vergleichen gewesen wären. Und nun erhielt er Nachricht, dass ein weiterer seiner geliebten Auserwählten gefallen war.
Der alte Chanat teilte es ihm mit. «Es war Juchi, Großer Tanjou. Er fiel auf den Zinnen, einer der gotischen Prinzen, die mit ihnen kämpfen, durchbohrte ihn mit dem Schwert.»
«Er stand vor mir», zischte Attila, «der strohblonde
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