Attila - Die Welt in Flammen
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«Isaurier!», röhrte eine tiefe Stimme. Man hörte den schweren Trott der Bergbewohner, die sich von Neuem um Zeno scharten.
Überall loderten Fackeln, und draußen auf der Ebene hatten die Hunnen riesige Leuchtfeuer errichtet, die wohl keinem anderen Zweck dienten, als den entmutigten Verteidigern vor Augen zu führen, wie riesig die Zahl ihrer Feinde war. Doch General Aëtius war überall zugleich, lief mit weit ausholenden Schritten von einem zum andern, brüllte, gestikulierte, machte rüde Witze und schien alles andere als entmutigt zu sein.
Faustriemen sah düster zu den Feuern hinüber. «Wie nett von ihnen», brummte er verdrießlich. «Kommt, freundliche Götter, pisst auf ihre Feuer, damit sie ausgehen!»
Der deutlich strenger gläubige Arapovian bekreuzigte sich, bevor er den nächsten Pfeil einnockte.
Die Hunnen waren nun an jedem Tor dabei, ölgetränkte Bündel aus vertrocknetem Schilf und geplünderte Heuballen aufzuschichten. Schon bald würden diese Tore in Schutt und Asche liegen und die Krieger überall ungehindert eindringen. Doch die Bürgerwehr strömte in immer größerer Zahl herbei, getrieben von Panik, die sich in der Stadt ausbreitete. Sie gossen Wasser über die Buschfeuer und bewarfen die Hunnen mit allen möglichen Gegenständen, ein primitiver, aber schrecklicher Regen. An einem Tor nach dem anderen wurden die Belagerer zurückgedrängt, bis es einer improvisierten Kampftruppe, angeführt von Malchus, der wie immer auch an der Spitze kämpfte, sogar gelang, das Tor aufzustoßen und einen Gegenangriff zu starten. Die Hunnen konnten ungeordnet hinter ihre Linien zurückgedrängt werden, und die tödlichen, ölgetränkten Ballen wurden auf freie Flächen geschoben. Sie schafften sie über die mittlere Stadtmauer hinweg zu den niedrigeren
peribolos
, den Einfassungen. Dort entfachten sie die Scheiterhaufen neu, sodass diese weit weg von den Toren sinnlos niederbrannten. Unter Jubelgeschrei von den Zinnen rannten sie zurück in die Stadt, und die großen hölzernen Flügel schlugen hinter ihnen zu. Kein einziger Bürger dieser waghalsigen Mannschaft wurde verletzt.
An den Mauern oberhalb des Lykus-Tals war die Erstürmung am heftigsten, hier standen die ganze Nacht über die besten Kämpfer nebeneinander. Unter herausforderndem Gebrüll schlitzte Tatullus mit seiner Hellebarde Gesichter und Kehlen auf, als diese oberhalb der Zinnen auftauchten, und stach über die Brüstung hinweg auf splitternde Schädel ein, trennte Köpfe von Hälsen ab. Pfeile schossen haarscharf an den Verteidigern vorbei, doch selbst für die Bogenschützen der Hunnen war es schwer, in der Dunkelheit und in einer derart dichten Gemengelage den Feind zu treffen und nicht die eigenen Leute. Ab und an schrie ein Hunnenkrieger auf und fiel rücklings vom Netz oder von einer Leiter herab, einen schwarzgefiederten Pfeil seiner Kameraden im Rücken. Schließlich gab einer der Hunnengeneräle den Befehl, das Feuer einzustellen. Die Wolfskrieger erwiderten das Feuer natürlich unverdrossen.
Hauptmann Malchus kam bereits wieder zurück vom Rhegium-Tor, ängstlich darauf bedacht, nichts von der Schlacht zu verpassen, seine Augen leuchteten weiß aus seinem blutverschmierten Gesicht hervor, während er wie wild mit dem Schwert auf den Feind eindrosch. Man hörte ihn sogar «Hier ist das wahre Leben!» rufen. Und dann war da Andronicus, der an seiner Seite kämpfte – die beiden Männer waren wie Brüder – und der unablässig leise und sonor wiederholte, als handele es sich um ein Mantra: «Ihr werdet diese Stadt nicht einnehmen, ihr werdet sie nicht bekommen, ihr kommt hier nicht herein …»
Die Sterne waren vom Himmel verschwunden; nur Funken erleuchteten das schwarze Gewölbe des Himmels. Aus dem Herzen der Stadt drangen sogar jetzt die Stimmen von Priestern und Dechanten, die Psalmen sangen, und zu diesen erhabenen Gesängen setzten die Männer ihre Kämpfe fort.
In der Nähe der Mauern beim Blachernae-Palast stellten die Isaurier fest, dass weitere Tunnel gegraben wurden. Attila ließ nichts unversucht, er setzte alle Schliche gleichzeitig ein und war wohl der Ansicht, dass die Nacht und seine schiere Überzahl ihm den Sieg sicherten. Er schien die Stadt unbedingt so schnell wie möglich einnehmen zu wollen.
«Ihr habt keine Zeit, einen Quertunnel zu graben!», rief Aëtius ihnen verzweifelt zu. «Werft die Säulen auf sie hinunter!»
Die großen Marmorzylinder, die sie in regelmäßigen
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