Attila - Die Welt in Flammen
geschweige denn mit dem
chekan
oder einem Schwert ausholen konnten. Auf einmal griffen sie disziplinierte Kämpfer von zwei Seiten aus an, richteten ihre langen Speere auf ihre verwundbaren Stellen, trieben sie noch dichter zusammen. Dann begann das Gemetzel, während die Hunnen sich noch um den Platz stritten.
* * *
Im Inneren des Belagerungsturms dachte Arapovian einen Augenblick lang, dass sein Zenturio verrückt geworden sei, weil er, nachdem er alle Lebenden vor ihm niedergemetzelt hatte, nun auch noch auf die rückwärtige Holzwand losging. Er bearbeitete sie mit seiner mächtigen Hellebarde, zerbrach Balken und stieß sie nach draußen, bis das schützende Turmgehäuse halb zersplittert war.
«Rein mit euch, ihr Versager!», brüllte er. «Und du, Schmied, komm her mit deinem Hammer. Ich will, dass diese Wand zerstört wird!»
Ohne zu begreifen, kamen sie folgsam herein, während der blutrünstige Zenturio, dessen Augen hinter einer Maske aus geronnenem fremdem Blut funkelten, etwas von Moral murmelte: «Das wird uns Auftrieb geben und sie ordentlich runterziehen!» Damit stieß er den letzten Balken der Rückwand hinab, und die Kanzel des Belagerungsturms stand nun ungeschützt im Licht der untergehenden Sonne da. Und Arapovian begriff: Tatullus begann, die geschlachteten Leiber der Hunnenkrieger einen nach dem anderen nach unten zu werfen.
Faustriemen stieß mehrere Leichen mit seinen großen Füßen hinab und brummte dabei, dass sie sich in diesem Augenblick ganz schön in Gefahr begäben. Doch es war ein Zeichen, ein schreckliches, vielsagendes Spektakel.
* * *
Von der Hauptangriffslinie der Hunnen draußen auf der Ebene, von ihren ruhelosen Pferden aus, sahen die Krieger, wie Kamerad um Kamerad herabgeflogen kam, die Leichen von Vätern, Brüdern und Söhnen, verstümmelt und erschlagen. Wie von einem Jägerstand des Grauens fielen sie herab, Blut quoll aus abgerissenen, abgeschlagenen Gliedern, die auf die Belagerer unterhalb des Turms fielen und unten auf dem harten Boden aufplatzten.
Aladar stützte sich mit den Fäusten vom Sattel ab und brüllte wie ein Irrsinniger ob solch einer Zurschaustellung von Grausamkeit. «Ein Blutregen der Rache wird sie treffen!»
Attila erwiderte nichts, aber er blickte finster drein.
* * *
«Lasst sie nur kommen und ihre Kameraden nach Hause tragen», knurrte Tatullus und warf den letzten Erschlagenen hinaus. «Jeder, der zu nahe kommt, wird vernichtet!»
Eine unbarmherzige, grausame Haltung, aber immerhin der erste Hinweis darauf, dass vielleicht nicht immer alles nach dem Willen der Barbaren zu gehen schien.
Die beiden anderen Belagerungstürme weiter unten an der Mauer waren zerstört und angezündet worden, bevor die Zugbrücken hatten herabgelassen werden können. Zugleich hatten sie die Hunnen, die dicht gedrängt über die Netze geklettert waren, bei dem fürchterlichen Gemetzel von beiden Seiten aus angegriffen und ihre Leichen anschließend wieder zurück über die Mauer geworfen. Die Taue, mit denen die Netze befestigt waren, waren endlich gekappt worden, und die Männer der Bürgerwehr kippten Öl hinterher und warfen noch brennende Fackeln hinterdrein, sodass die Netze erst nach aufwendigen Reparaturarbeiten erneut verwendet werden konnten.
Schließlich waren die Stadtmauern vollständig von Feinden befreit. Hunderte von Hunnen waren an jenem Tag umgekommen, ebenso viele beim Sturz von den Mauern wie im Kampf. Kein Einziger hatte es in die Stadt hinein geschafft. Der Tunnelbau war grausam unterbunden worden, und keiner der Belagerungstürme war ans Ziel gelangt. Aëtius ließ sich im Schatten der Zinnen niedersinken, nahm den Helm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er konnte kaum mehr den Arm heben, so erschöpft war er. Vor ihnen lag die Stadt, die sie so leidenschaftlich verteidigt hatten, die untergehende Sonne beschien mit mattem Glanz die unzähligen Kuppeln und Kirchtürme. Die heilige Stadt Byzanz. Er lächelte.
«Mein Bruder», keuchte Thorismund plötzlich dicht vor ihm. Er zerrte Aëtius am Arm. Aëtius wollte ihn mit einer müden Geste abschütteln. «Mein Bruder», klagte der Prinz noch verzweifelter, nun beinahe schluchzend. Plötzlich war Aëtius hellwach, er richtete sich mühsam auf, obwohl ihm alles wehtat. Die Prinzen hatten sich so wacker geschlagen wie alle anderen, und ihre Wolfskrieger hatten Entscheidendes geleistet.
«Wo ist er?»
Thorismund schluchzte, sein Bruder könne sich nicht bewegen. Es war
Weitere Kostenlose Bücher