Attila - Die Welt in Flammen
Zweite Kohorte!», brüllte Aëtius. «Die Position auf dem Hügel ausbauen! Provisorische Dämme errichten, Gräben, was auch immer. Der Hügel ist unser und so bleibt es auch! Bewegt euch! Ihr habt fünf Minuten, bevor das Schießen beginnt!»
Die Palatinische Garde in ihren schwarzen Rüstungen flitzte so rasch, als sei jeder ein Achilles, über die nassen Felder und dann den Hügel hinauf, während die Wolfskrieger die nunmehr ihres Hügels beraubten Hunnen zu ihren eigenen irritierten Linien zurücktrieben.
«Ruft sie zurück, Majestät!» Aëtius galoppierte zu König Theoderich hinüber, der jetzt auf etwas zu sitzen schien, das aussah wie ein ein Meter achtzig hoher Ackergaul, und zwar in einem riesigen, reich verzierten und bemalten hölzernen Sattel mit goldenen Kreuzblumen, und der den Blick auf seine heldenhaften Wolfskrieger von dieser Tribüne aus sehr zu genießen schien.
«Euer Majestät, ruft die Wolfskrieger zurück! Die Bogenschützen der Hunnen werden sie töten, wenn sie ihnen zu nahe kommen!»
«Unsinn», fauchte Theoderich. «Lass ihnen doch die Genugtuung. Mein Sohn Thorismund ist ein Prachtkerl, was?»
Aëtius mochte gar nicht hinsehen. Doch obwohl sie sich den Linien der Hunnen bis auf fast siebzig Meter näherten, wurden die Wolfskrieger von keinem einzigen Pfeil getroffen und drehten im letzten Augenblick ab, um zurück zu ihren eigenen Reihen auf dem Hügel zu galoppieren. Die anderen jubelten mit ihnen, als hätten sie gerade einen Nachmittag beim Wettrennen verbracht und ihr Wagen hätten gesiegt. König Theoderichs Stimme erschallte am lautesten, als er seinem Sohn jovial den Kopf tätschelte.
* * *
Nun war die Aufstellung der beiden gegnerischen Armeen klar.
Attila hielt seine eigenen Krieger in der Mitte konzentriert, zur Rechten die Kutrigurischen Hunnen, deren Flanke durch einen kleineren Fluss geschützt war; weitere Völker standen hinten und zur Linken. Mindestens in einer Meile Entfernung befanden sich die Gepäckwagen mit den Leuten, die nicht kämpften. Die Frauen und Kinder waren den Männern gefolgt, um zuschauen zu können und den großen Tag in der Geschichte des hunnischen Volkes mitzuerleben.
Aëtius’ Vorkehrungen waren komplexer. Er hatte Sangiban und seine dreitausend Alanen ins Zentrum gestellt, wie versprochen. Sie waren vom Pferd gestiegen und hatten ihre langen Lanzen wie Piken in die Erde gerammt. Hinter ihnen warteten seine besten Feldlegionen, die Heruler, Batavier und Cornuti Seniores, und ganz hinten als Reserve die verbleibenden Kohorten der Palatinischen Garde. Den linken Flügel nahm die Augustäische Reitereinheit ein, die wiederum an der Außenflanke durch den Hügel geschützt wurde, außerdem die letzten Zenturien der Grenzlegionen, allerdings ohne die XII . Fulminata, die Blitzbrigade. Diese hatte Aëtius auf den Hügel entsandt, damit sie ihre Schleudern und Wurfgeschosse hinter den stolzen Reihen der Palatinischen Garde eingraben konnten, die bereits Mulden und Aushebungen geschaffen hatte. Es war nur leichtgewichtige Feldartillerie, aber sehr wirksam von dieser erhöhten Position aus.
Ganz rechts stand der große, fünfzehntausend Mann starke Flügel der Visigoten. Auf den vielen hellfarbigen, mit christlichen Symbolen dekorierten Fahnen konnte man ab und zu noch einen rabenähnlichen Vogel entdecken: Odins Vogel. Vor ihnen lag die leere Ebene, auf der sie in weitem Bogen ausschwärmen und gegen die riesige Kriegsmaschinerie anstürmen konnten. Sie hatten bereits das Banner des Schwarzen Ebers entdeckt – die Vandalen.
Theoderich nickte ernst, als er unter den buschigen weißen Brauen auf die schicksalhaften Banner blickte. «So sei es denn, zum Wohl oder Wehe», murmelte er. «Lasst uns einen vergnüglichen Nachmittag haben – der traurige Abend folgt dann von ganz allein.»
Er rief seine Söhne zu sich und legte ihnen die Hand auf die gepanzerte Brust. Die Prinzen taten es ihm nach. Unter ihren bronzenen Kürassen trugen Vater und Söhne jeder ein silbernes Medaillon, das eine einzelne Locke vom silberhellen Haar eines Mädchens enthielt. Sie pressten die rechte Hand gegeneinander. Für sie ging es nicht um die Zukunft der Welt.
* * *
Die Sonne ging nun rasch auf und blitzte auf Schilden und Schwertern. Aëtius ritt unablässig auf seinem Schimmel zwischen seinen Kriegern auf und ab. Er gab viele kurze Befehle, hielt aber keine Ansprache. Die Männer kämpften aus ganz unterschiedlichen Beweggründen, es waren nahezu alle
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