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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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waren eingezäunt und gehörten immer auch jemandem; es kam ihnen wie eine fremde, durch und durch von Menschenhand erschaffene Welt vor. Wie sehnten sich ihre Herzen nach dem Wind über der baumlosen Steppe und den weißen glitzernden Bergen dahinter. Warum hatten sie die Weite Asiens aufgegeben? Was hatten sie hier verloren?
    Wir sind von zu weit her gekommen. Auf den Himmlischen Weiden gibt es eine solche Ruhe und Weite, dass man nicht einmal schreien darf, weil es ein Sakrileg ist, dies so nahe bei den Göttern zu tun. Hier behaupten die Menschen, die Welt sei gefallen und der Sünde und Verschlagenheit anheimgegeben, doch sie kennen die Himmlischen Weiden nicht. Dort, an der Schwelle des Himmels, ist die Welt noch rein. Der Friede kommt mit jedem Windhauch, der über das smaragdgrüne Gras hinwegwispert, und wie wohlgenährt die Pferde dort sind! Ihre traurigen Pferde könnten das Gras der Himmlischen Weiden gut vertragen, aber sie würden Monate, Jahre bis dorthin brauchen. Es war so weit, dass es ihnen in der Seele wehtat, daran zu denken, an die Schneeglöckchen und Bergastern und das Edelweiß auf den Pässen der Berge, die wie ein riesiger Ring um die Ebene aufragten, die buschigen Margeriten, die Alpenveilchen und den Bärlauch, an die Kraniche, die unter dem Auge des Himmels dahinzogen.
    Doch es schien, als müssten sie noch weiterkämpfen. Der Große Tanjou hatte es so beschlossen. Und hatte nicht der Himmel selbst ihn eingesetzt?
    * * *
    Aëtius gab seiner Armee den Befehl anzuhalten und zu rasten. Die Pferde waren zu füttern, ihre Hufe zu säubern, sie mussten ordentlich gebürstet werden. Außerdem sollten sie selbst etwas essen und sich schlafen legen. Kein Alkohol. «Wir werden heute Abend wieder unterwegs sein und kämpfen.»
    Seine Männer brummten. Er grinste. Er selbst schien keinen Schlaf zu brauchen.
    Zur Dämmerung schlossen sich ihnen neue Kriegsgefährten an. Keine großen Truppen, aber es war gut für die Kampfmoral. Stämmige Bretonen aus Armorica, Burgunder aus dem Norden, Edelleute aus Aquitanien, schnurrbärtige fränkische Kämpfer mit ihren tödlichen
franciscae
, ihren Wurfäxten.
    «Mit Rom ist es ein bisschen wie mit der eigenen Gesundheit», bemerkte Aëtius trocken angesichts dieser Treuebeweise.
    «Wie meint Ihr das?», fragte Tatullus.
    «Erst wenn sie im Schwinden begriffen ist, beginnt man sie zu schätzen.»
    Tatullus lachte. Er hatte ja recht. Plötzlich, da die Kriegsmaschinerie der Hunnen quasi auf ihrer Schwelle stand, schien jeder Bürger des Reiches, vom untätigsten Patrizier bis zum Beinahe-Barbaren an den Randzonen, sich der Vorzüge der römischen Zivilisation zu erinnern.
    * * *
    In der Dämmerung ritten sie aus, während der Sommermond aufging und die goldene Kugel Jupiters am Himmel stand. Die große Kolonne im Fackelschein war ein prächtiger Anblick, wie eine Reminiszenz an den Glanz der Vergangenheit.
    Im starken Mondlicht konnten sie die Spuren der Zerstörung erkennen, welche die Hunnen angerichtet hatten: Weinberge und Obstgärten waren verwüstet und vom Feuer zerstört worden; ganze Dörfer waren zu bloßen Kreisen aus Holzkohle und Asche niedergebrannt. Überall entlang des Wegs lag geschlachtetes Vieh, es sah wie vom Mondlicht beschienene Felsblöcke aus. Wenn die Hunnen es nicht rauben konnten, dann sollte es auch niemand anders haben. In der Zerstörungswut der Hunnen lag bereits eine Bitterkeit, die wie der letzte Racheakt einer besiegten Armee anmutete.
    Aëtius und seine Männer hätte dieser Gedanke vielleicht sogar beflügelt, wären die Zerstörungen nicht so entsetzlich gewesen und hätten sie nicht so häufig heimatlose, hungernde Menschen gesehen. Schmutzige Kinder mit triefenden Nasen liefen wie erschrockene Tiere vor ihnen davon und suchten in den Ruinen Unterschlupf, so gut es ging. Sie hatten Glück gehabt, zumindest mehr Glück als diejenigen, die an Pferde gebunden und entzweigerissen oder von Wagenrädern zermalmt worden waren und deren zerfetzte Gliedmaßen am Wegesrand von den Hunden gefressen wurden.
    Dies war die albtraumhafte Landschaft, die die Hunnen aus der zivilisiertesten und wohlhabendsten Gegend der westlichen Provinzen gemacht hatten. Ein Land der Rebstöcke und Obsthaine, schöner Städte und eleganter Villen, nunmehr eine urzeitliche Landschaft gut genährter Wolfsrudel, die den Mond anheulten, während dunkler Rauch über das sterbende Land trieb. Mit einer alten Zauberin, die sich Schlangenhäute ins verfilzte

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