Attila - Die Welt in Flammen
Nationen von der Wolga bis an den Atlantik vertreten. Doch er sprach zu jeder Legion, zu jeder Einheit, und sah Entschlossenheit auf jedem einzelnen Antlitz.
* * *
Höchstens eine Meile weit von ihnen entfernt stand Attilas Armee. Sie ließ sich nicht zählen, aber es dürften fünfmal so viele Hunnen wie Römer gewesen sein. Und doch war es erst das zweite Mal, dass Attila einem Feind in offener Schlacht gegenüberstand – und das erste Mal, dass sein Gegner sich aufs Siegen verstand. Die Hunnen, und für ihre weniger fanatischen Anhänger galt dies noch viel mehr, fürchteten bereits, das mächtige Rom lasse sich nicht besiegen, trotz all der Versicherungen, es sei dem Untergang geweiht.
Die Sonne stieg höher, der Nebel hatte sich vollkommen gelichtet. Es war das ideale Terrain für eine Blitzattacke der Hunnen mit ihrem tödlichen Pfeilsturm. Doch Attila tat nichts. Er saß auf seinem schmutzigbraunen Pony wie eine Statue und starrte zu seinem Gegner hinüber, zum großen Heermeister Aëtius, der unermüdlich seine Soldaten auf die Schlacht einschwor.
«Großer Tanjou», sagte Chanat, indem er sein Pferd neben ihm zum Stehen brachte.
Lange Zeit reagierte Attila nicht. Dann murmelte er, dass selbst ein altes, mit Efeu überwuchertes Schloss noch einem Angriff widerstehen könne, wenn die Mauern dick sind.
«Was sagst du, Herr?»
«Aber es spielt ja keine Rolle.» Er sah zu Chanat hinüber und bleckte die Zähne. «Meine Führerin Enkhtuya hat die Eingeweide befragt. ‹Heute wird der Anführer deiner Feinde in der Schlacht sterben› – das ist die einfache Botschaft für dich, alter Chanat.» Er blickte wieder über die Ebene. «Aëtius’ Tage sind gezählt.» Er knallte die Faust so heftig auf den Sattelknauf, dass sein Pferd wieherte und zur Seite wich.
«Dann lass uns kämpfen, Großer Tanjou. Es ist Zeit.»
Attila nickte. «Erwartet meinen Befehl.»
* * *
«General Aëtius. Ein kleiner Trupp kommt aus nördlicher Richtung auf uns zu.»
Aëtius seufzte. Noch eine kleine Truppe von Freiwilligen, die seine Schlachtordnung durcheinanderbrachte. Ehrlich gesagt, hätte er auf sie verzichten können. Er ritt hinter seinen Linien vorbei um den Hügel herum.
Über die sonnenbeschienenen Felder her nahte eine ordentlich aufgereihte Kolonne, bestimmt zweihundert Mann stark, die Speere gen Himmel gerichtet. Aëtius war gerührt, obwohl er doch starke Vorbehalte hatte – zweihundert, die gegen zweihunderttausend kämpfen sollten? Die waren Gold wert.
Als sie näher kamen, erblickte er den Anführer der Kolonne, einen breitschultrigen Mann mit weißem Bart. Er konnte nicht glauben, was er sah.
Der Anführer brachte sein Pferd zum Stehen und nickte. «Aëtius, Heermeister der Römer. Ciddwmtarth von den Westkelten und seine Soldaten, Euch zu Diensten.»
Aëtius versuchte zu sprechen, fand aber keine Worte und packte Lucius nur wortlos am Unterarm.
Der alte Soldat blinzelte, als er den für seine Unnahbarkeit berühmten römischen General so gerührt sah. Also hatte er doch ein Herz!
«Das kriegerische kleine Britannien ist gekommen, um dem großen Europa dabei zu helfen, sich von der Tyrannei und den Hunnen zu befreien.» Lucius’ Stimme klang tief und nüchtern.
Tief bewegt sagte Aëtius: «Ihr seid willkommen, mein Freund, sehr willkommen. Ihr batet uns um Hilfe und bekamt keine. Nun kommt Ihr unaufgefordert, um uns zu helfen.» Er schüttelte den Kopf.
Lucius erwiderte nichts.
«Sind Eure Leute in Sicherheit, solange Ihr unterwegs seid?»
«Es wird noch genug Kämpfe geben, wenn wir wieder da sind», bemerkte Lucius lakonisch.
Aëtius fasste sich wieder. «Ihr habt etwas gut!» Er schaute zu dem Mann hin, der hinter Lucius ritt. Er war etwa fünfzig, aber sein Haar war noch dunkel, sein Gesicht wies keine Falten auf und seine braunen Augen beobachteten den Wortwechsel mit stummer Aufmerksamkeit. «Und du, du bist …?»
Der Mann nickte. «Mein Name ist Cadoc, der Sohn Ciddwmtarths.» Und dann lächelte er. Ja, das Schicksal ging seltsame Wege.
«Sich vorzustellen», sagte Aëtius und schüttelte wieder den Kopf, «sich vorzustellen, dass es einmal vier Jungen gab, die gemeinsam im skythischen Grasland spielten. Ein Römer und ein Hunne, ein griechischer und ein keltischer Sklave.»
«Ein Kelte, der zum Sklaven wurde. Aber frei geboren war!», brummte Lucius.
«Frei geboren, genau. Von edler Abkunft», sagte Aëtius rasch.
Lucius räusperte sich. Cadoc lächelte noch immer. Dann
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