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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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an, und wenige Augenblicke später waren die wilden Scharen in der Nacht verschwunden.
    Die Menschen starrten einander wortlos an.
    Die Sterne funkelten am Himmel.
    * * *
    In einem Zelt der Hunnen stand ein Gefangener aus Margus, dem man die Augen verbunden und die Hände auf dem Rücken gefesselt hatte. Er trug das schmal geschnittene weiße Gewand eines Priesters der Kirche, und vor seiner Brust hing ein Chi-Rho aus Holz, das Christusmonogramm.
    Starke Hände packten seine Augenbinde und rissen sie ab.
    Er blinzelte.
    In dem von einer Feuerstelle und einer einsamen Fackel erhellten Zelt sah er eine Reihe heidnischer Häuptlinge. Vor ihm ein halbnackter Wilder, der das Haar zu einem Knoten aufgebunden trug. Große goldene Ohrringe baumelten neben seinen Wangen. Die Arme und der Oberkörper des Mannes waren vernarbt und tätowiert und sehr muskulös.
    Der Mann lächelte und sprach zum Erstaunen des Priesters perfekt Latein.
    «Du bist ein christlicher Priester, stimmt’s?»
    Er nickte.
    «Du trinkst das Blut deines Gottes und verzehrst sein Fleisch», ließ sich ein seltsamer kleiner Mann aus dem Zelthintergrund vernehmen.
    Es war Kleiner Vogel, der Schamane. Er schüttelte den Kopf, sodass sein bändergeschmückter Haarknoten hin und her wackelte. «Was musst du für ein Barbar sein.»
    Auf einen Wink des Kriegsherrn hin schlug einer seiner Krieger den Vorhang am Zelteingang beiseite. Draußen an einem kleinen Feuer saß eine Frau in einem schmuddeligen roten Kleid mit drei Kindern, zwei Mädchen und ein Junge.
    «Und das ist deine Familie? Der Knabe heißt Theophilus, genau wie du.»
    Der Priester schluckte. «Ich kenne sie nicht.»
    «Und dreimal hat Petrus Christus verleugnet.»
    Der Priester staunte noch mehr. Ein Wilder, der Latein sprach und auf die Heilige Schrift anspielte.
    «Selbst die Teufel in der Hölle glauben an Gott und zittern.» Der Kriegsherr lächelte, aber dieses Lächeln war alles andere als beruhigend. «Du bist nicht nur ein Priester, du bist sogar Bischof. Der Bischof von Margus.»
    Er schüttelte den Kopf. «Ich, ich …»
    Der Kriegsherr streckte die rechte Hand aus, eine wahre Pranke, legte sie dem Priester um den Hals und hielt ihn so locker gefasst.
    «Belüg mich nicht nochmal, sonst quetsche ich dir deine Seele aus der Gurgel.»
    «Das ist keine leere Drohung», schaltete sich Kleiner Vogel hilfsbereit ein. «Ich habe selbst schon gesehen, wie er das gemacht hat.»
    «Du bist der Bischof von Margus, und dies ist deine Familie. Sie ist deine Gattin, oder vielleicht deine Konkubine. Die Kinder sind von dir gezeugt.»
    Der Priester begann zu weinen. «Christus ist meine Familie. Eine andere Familie habe ich nicht. Tut ihnen nichts.»
    Der Kriegsherr drückte einmal kurz.
    Nachdem der Priester röchelnd wieder zu Atem gekommen war und sich, die Tränen abwischend, vom Boden aufgerappelt hatte, setzte der Kriegsherr von Neuem an.
    «Du kennst sie.» Dann lauter, heftiger: «Sie ist deine Konkubine, deine Hure. Du hast es verschmäht, sie zu heiraten.»
    Bei diesen Worten blickte die Frau auf. Der Kriegsherr sah zu ihr hinüber, sah ihre zornige Miene und lächelte.
    Die Schultern des Priesters sackten nach unten, und er ließ den Kopf hängen.
    Der Kriegsherr ließ ihn los.
    «Jetzt hör mir zu», sagte er. «So wie dein Gott dich errettet hat, kannst du deine Familie retten. Du wirst zu eurem Kaiser nach Konstantinopel reiten, dem Kalligraphen. Ich stelle dir ein Pferd zur Verfügung.»
    Der Bischof sah zu seiner Familie hinaus. Auf einen weiteren Wink des Kriegsherrn hin ließ der Krieger den Vorhang wieder vor den Eingang schwingen.
    «Du sollst aufpassen», sagte er.
    Der Bischof hob den Blick und sah ihn an.
    «Es ist keine große Aufgabe, aber du wirst dir meine Worte merken. Als Bischof, glattzüngig und erfahren in Dingen der Diplomatie, bist du genau der Richtige für diesen Auftrag. Du wirst auf der Reichsstraße, die nach Naissus führt, nach Süden reiten.»
    «Mein Herr», stammelte er, «schickt mich nicht, ich flehe Euch an. In den Hügeln wimmelt es von Wilden.» Der Kriegsherr entblößte seine Zähne. «Von … von Banditen, von Räubern. Womöglich werde ich sogar von römischen Truppen getötet, die zur Verstärkung anrücken, aus Unkenntnis der Lage, aus Verwirrung –»
    «Es rückt keine Verstärkung an.»
    «Oder von Strauchdieben, von Bären, Wölfen –»
    «Das Leben», räumte der Kriegsherr gut gelaunt ein, «ist voller Ungewissheiten.»
    «Warum dann

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