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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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bezweifelte er. Die Herkulier und die Bataver existierten nicht mehr. Die Palatinische Garde hatte in der Tat bis zum letzten Mann gekämpft und die linke Flanke des Heeres auf dem Hügel verteidigt. Die Hunnen hatten sich erst zurückgezogen, als alle Mitglieder der Garde tot waren und sie mit ansehen mussten, wie ihr eigenes Heer den Rückzug antrat. Die
superventores
waren ausgelöscht. Von der Augustäischen Reiterlegion waren gerade einmal achtzig Mann übrig. War es ein Trost, dass die Hunnen noch dreimal oder viermal so viele Krieger verloren hatten?
    Er blieb neben einem der Toten stehen. Nein, es war kein Trost. Hauptmann Malchus war ein Arm völlig abgetrennt worden; sein Gesicht war eine blutstarrende Maske. Aëtius bedeckte das Gesicht mit einem Zipfel seines Umhangs. Der visigotische Wolfskrieger Jormunreik lag niedergestreckt, mit der rechten Hand hielt er noch immer die Axt umklammert. Aëtius berührte seinen Kopf, nur einmal, stumm. Er hatte gesehen, wie Kühe ihre Kälber so berühren, und nun begriff er, weshalb. Und dort lag der Riese Faustriemen, der Rheinländer. Aëtius musste daran denken, wie sie einander zum ersten Mal begegnet waren, auf der Straße nach Azimuntium. Faustriemen, der Sohn der rheinischen Hure Volumella. Aëtius kniete neben ihm nieder und strich ihm mit der Hand sanft über das Gesicht, schloss ihm die Lider. «Nein, kein Sohn einer Hure», murmelte er. «Sondern der Tapferste von allen.»

11. DER WAHNSINN DES KÖNIGS
    N och ein Mann streifte über das Schlachtfeld, nichts als ein blankes Schwert bei sich. Er achtete nicht auf seine Umgebung. Während er an den Toten vorbeischritt, murmelte er etwas von Rom, von China. Alle Toten waren nun in einer besseren Welt, war es nicht so? Das Werk von Engeln. Er lächelte nicht. Das Werk der Ewigkeit.
    Der Mond spiegelte sich in Pfützen aus Pferdeblut. Als wäre er auf die Erde gefallen.
    Ein Plünderer kramte in den Taschen der Toten, er stahl Broschen aus Emaille,
fibulae
, Ringe von gebrochenen Fingern. Vielleicht war es ein Dorfbewohner oder sogar einer der Seinen, er tötete ihn trotzdem. Leise trat er hinter ihn und bohrte ihm das Schwert in den Nacken. Doch schon erspähte er in der Dunkelheit den nächsten. Er spürte große Müdigkeit. Es war unmöglich, sie alle umzubringen.
    Da war ein Krieger, er lag im Sterben mit nur noch einem Bein. Dort drüben ein Pferd, das ins Leere trat. Er hatte es satt zu töten. Hatte es satt zwischen den übereinanderliegenden Toten und Sterbenden, zwischen den Pfützen aus Blut und dem geborstenen Kriegsgerät, zwischen den toten Regenbogen und dem herabgestürzten Mond, der sich in den Pfützen aus Blut spiegelte. Abrupt kniete er nieder und rammte sein Schwert in den Boden. Mochte es dort unter den Erkalteten und Toten bleiben.
    Im Morgengrauen wurde Attila bewusst, dass die Römer ihn nicht mehr angreifen konnten. Auch sie waren erschöpft, die wenigen von ihnen, die überlebt hatten. Er gab den Befehl, das Lager abzubrechen, und der ramponierte Rest seines Heeres zog nach Osten.
    Nachdem sie fortgezogen waren, taten es ihnen Römer und Visigoten gleich. Zwei Drittel der Männer waren verwundet und lagen im Sterben, und die Kolonne bewegte sich nur sehr langsam vorwärts. Eine bleierne Stille legte sich über die Katalaunischen Felder und über die Haufen ungezählter Toter.
    In jenem Winter zogen viele Wolfsrudel durchs Land.
    * * *
    Nun, da ihr Kampfgeist gebrochen war, nahmen Attilas bunt gemischte Armee und seine verbitterten Söldner völlig willkürlich grausame Rache an der Bevölkerung der Landstriche, durch die sie auf ihrem düsteren Rückzug kamen. Einige burgundische Gefangene knüpften sie an Bäumen auf und benutzten sie zu Übungszwecken als Zielscheibe. Sie ließen die Kinder der Burgunder zusehen, die Vorstellung belustigte sie, dass die Kinder sahen, wie ihre Väter von Pfeilen erschossen wurden.
    Diese Belustigung führte dazu, dass Leichen zu beiden Seiten der Straße lagen, es waren schwangere Frauen darunter, denen man den Bauch aufgeschlitzt hatte; die ungeborenen Kinder waren ihnen herausgerissen worden, man hatte sie aufgespießt. In die Münder gefangener Juden, welche die Hunnen als unchristliche Ungläubige verspotteten, war Gold gegossen worden. Die letzten Ansiedlungen und bewohnten Höhlen der stillen Bewohner des Böhmerwaldes, die Haselmäuse jagten und nach Wurzeln und Beeren suchten, braunäugig, verträumt und schweigsam, ein Stamm von Kindern, die

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