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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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flog ihm aus der Hand, als er die Hand auf den Schenkel presste. Der Hieb war bis auf den Knochen durchgegangen. Sein erschöpftes Pferd verfiel in einen automatischen Trab, da der Druck des Reiters plötzlich nachgelassen hatte. Der Orientale sprintete hinter ihm her, mit wirbelndem Schwert. Dann blieb er abrupt stehen und ließ den alten Krieger, ganz zusammengesunken in seinem hölzernen Sattel, langsam zu den Linien der Hunnen zurückreiten.
    Der Orientale schaute zu dem Kerl mit der Keule hinab. Der kniete verdutzt da. An der Schulter hatte er noch eine zweite Wunde, hier hatte sich ein Pfeil tief eingegraben.
    Arapovian rief seinen Namen.
    Er sah auf, und allmählich breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. «Verdammt gut gemacht, du persische Gazelle, du!» Dann war er auch schon wieder auf den Beinen, die Keule auf der Schulter, um weiterzukämpfen.
    Die römische Linie vollzog eine Kurve und wogte hin und her, sie teilte sich und fand wieder zusammen. Männer wurden vor- und zurückgeworfen, schrien, fassten sich an Kehle und Brust. Viele kauerten im Schlamm, im Sterben liegend, und viele von ihnen, selbst die Hartgesottensten, beendeten ihr Leben so, wie sie es begonnen hatten: Sie riefen nach ihrer Mutter. Es kamen keine Ärzte, weil sie alle tot waren. Es kamen aber auch keine Kameraden: Auch sie waren entweder alle tot, oder sie kämpften noch. Die Sonne glitt den Horizont hinab, und das Feld war flachgemäht wie nach der Ernte.
    * * *
    Aëtius kroch unter dem dritten Pferd hervor, das über ihm zusammengebrochen war, sein Helm und sein Schwert waren verschwunden. Er hievte sich auf ein weiteres Tier, das ganz ausgezehrt dastand und blutiges Gras abknabberte, ganz verzweifelt vor Hunger, völlig entkräftet. Er blickte um sich. Von seiner Armee war beinahe nichts mehr zu sehen.
    Doch, dort drüben, auf der anderen Seite … Die Zahl der Feinde nahm ab. Die Flanken hatten sich zurückgezogen. Eine riesige konkave Wölbung zeigte sich in der Mitte des Schlachtfeldes, und die endlos scheinende Masse der Soldaten am Morgen, die sich schier bis zum Horizont erstreckt hatte, war deutlich geschrumpft. Sie waren stark dezimiert. Weit hinten im Osten sah man eine golden glänzende Dunstglocke im Licht des Sonnenuntergangs: unzählige Krieger, die den Rückzug antraten.
    Etwas näher, vor der Dunstglocke, war eine silberne Schlange zu erkennen: Es waren die Wolfskrieger, die immer wieder und immer noch auf die gesprengte Flanke der Hunnen eindroschen. Sie rollten das Feld auf. Vor Aëtius’ verschwommenem Blick fiel die Linie der Hunnen in sich zusammen. Die Wolfskrieger ließen nicht nach. Zwar waren sie inzwischen zu müde, um noch zu galoppieren, und trabten nur, ihre Lanzen jedoch waren noch immer unerbittlich zum Angriff gesenkt. Vor ihnen gaben die Hunnen auf und ergriffen die Flucht.
    Es schien rasch dunkel zu werden an jenem Tag. Die Sonne hatte wohl genug gesehen.
    Auch Aëtius hatte genug gesehen, doch es war noch nicht vorbei. Seine Arbeit war noch nicht verrichtet. Es gab zu wenig Läufer. Er musste noch welche finden. Er befahl, einen Wagen für ihn bereitzustellen und darauf Sättel übereinanderzuschichten, damit er hinaufklettern konnte. Ein schmutziger Kerl ging unten vorbei, kniete sich dann hin und wischte das Schwert an einem der wenigen Grasflecken ab, der nicht besudelt war.
    «He, du!», rief Aëtius. «Komm herauf. Leihe mir deine Augen.»
    Der Kerl kletterte zu ihm hinauf und starrte nach Norden.
    «Du!», sagte Aëtius mit schwacher Stimme.
    «Ich», erwiderte Arapovian. Dann fügte er hinzu: «Was für eine Ironie: Attila lässt sich auch so einen Turm aus Sätteln bauen wie Ihr.» Er warf Aëtius einen Blick zu. «Er muss Euch in allem nachahmen!»
    «Was siehst du noch?»
    «Sie schieben die Wagen, die ihnen noch verblieben sind, zu einer Wagenburg zusammen. Aber es sind so viele geflohen, der Kreis ist ganz klein. Warum tritt er nicht den Rückzug an?»
    «Weil er glaubt, wir würden ihn nachts überfallen und ihm den Garaus machen.»
    «Das würden wir auch, wenn wir noch Leute hätten!»
    Arapovian bereute seinen grausamen Scherz auf der Stelle. Aëtius neigte den Kopf und legte die Hand an die Stirn. Leise sagte Arapovian: «Aber die Schlacht ist vorbei.»
    Aëtius blickte wieder auf und schaute über die Ebene des Gemetzels. «In der Tat, die Schlacht ist vorüber», sagte er. «Und beide Seiten haben verloren.»

10. HERRSCHER UNTER MÄNNERN
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