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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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selbst damals schon so lebten, wie sie seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden in Europa gelebt hatten und die eine Sprache sprachen, die niemand außer ihnen verstand, so wie im Garten Eden vor dem Sündenfall: Auch sie rotteten Attilas Männer aus, ein namenloses, urweltliches Volk, unschuldig wie die Luft. Sie wurden gefangen und mit dem Schwert erschlagen. So sanft, wie sie gelebt hatten, gingen sie in den Tod; zurück blieben nur rauchende Strohhütten in ihren kleinen Dörfern auf den sonnenbeschienenen Lichtungen. Alle hatten unter Attilas Horden zu leiden.
    Europa stöhnte auf und blutete, und der König selbst ritt schweigend an der Spitze seiner besiegten mörderischen Horde, die Augen nach vorn ins Leere starrend, gleichgültig der Zerstörung gegenüber, die er in schwarzen Rauchwolken hinterließ. Die ganze Welt stand in Flammen, nichts blieb verschont. Wenn er nicht der Beherrscher der Welt werden konnte, so wollte er wenigstens ihr Zerstörer sein.
    Nur eines ist schlimmer als eine näher rückende Armee, hieß es in jenen Tagen: eine Armee auf dem Rückzug. Hoffnung und Disziplin sind verloren, nur eine trostlose Freude, sich an Schwachen und Wehrlosen zu rächen, ist als schale Genugtuung geblieben. Selbst die stumme Natur musste leiden, düsterer Zorn strafte auch sie. Ganze spätsommerliche Wälder setzten die Fackeln in Brand, ganze Landschaften brannten nieder, flammten auf wie Zunder und waren hernach öd und leer.
    Flüchtlinge drängten sich auf den Landstraßen nach Italien und dem Osten. Da fliehen sie, getrieben vom Wind, der sie wie Spreu vor sich her treibt! Puppen sind es, die zu seinem uralten, brüllenden Lied tanzen, ein Tanz über entvölkerte Felder. Seit Anbeginn der Zeiten.
    * * *
    Aëtius sollte recht behalten: Attila war gescheitert, er gab aber nicht auf. Nun dachte er an nichts anderes als an Zerstörung. Der Tod war sein Lebensinhalt geworden.
    Als Aëtius endlich nach Ravenna zurückkehrte, musste er Valentinians Anschuldigungen über sich ergehen lassen. Dieser wollte wissen, was aus seiner Armee geworden war. Mit übertriebener Gelassenheit teilte Aëtius ihm mit, dass es keine nennenswerte römische Armee mehr gab. Vielleicht sollte man mit den Visigoten verhandeln, der einzigen verbliebenen Streitkraft im ganzen westlichen Europa. Valentinian heulte auf, zerriss sein Gewand und biss sich auf die Zunge, bis er Blut auf den weißen Marmorboden seines Palastes spuckte.
    Dann machte die unglaubliche Nachricht die Runde, dass Attila wieder durch die Lande zog. Er war in einem Bogen nach Noricum gezogen und ritt nun auf Aquileia zu. Dass er noch immer die Männer hatte, um zu kämpfen, und, noch unglaublicher, den Willen …
    Alles war umsonst gewesen. Es war niemand mehr da, der sich ihm widersetzte. Er würde nach Ravenna reiten und dann nach Rom und beide Städte niederbrennen. Über wie viel Mann mochte er noch verfügen? Wohl nicht mehr als zehntausend: der lausige Rest seiner einst mächtigen Armee, deren übrige Mitglieder entweder auf den Katalaunischen Feldern gefallen oder desertiert waren und sich in die Weiten Skythiens verkrochen hatten. Dennoch ritten zehntausend seiner Getreuesten mit ihm – und die Römer hatten niemand, mit dem sie ihm gegenübertreten konnten. Von den Visigoten war nicht zu erwarten, dass sie für Italien kämpften, so wie sie es für Gallien getan hatten.
    Draußen vor dem Palast rief Aëtius den letzten Mitgliedern seiner Leibwache zu: «Ihr könnt jetzt gehen. Schifft euch in Richtung Osten ein. Es gibt hier nichts mehr für euch zu tun.»
    Arapovian starrte ihn mit seinen kohlrabenschwarzen Augen durchdringend an und nickte dann. «Normalerweise würde ich mich wie ein Deserteur fühlen», sagte er. «Nur dass es hier nichts gibt, wovon man desertieren könnte!»
    «Du hast Rom hervorragend gedient, Orientale. Ebenso wie alle anderen.»
    Arapovian schwang sich in den Sattel.
    «Wohin wirst du jetzt reiten?»
    «Nach Osten, wie du sagtest. Nicht in mein Land – es existiert nicht mehr. Aber irgendwo nach Osten. Vielleicht ganz weit. Je weiter, desto besser.» Er gab seinem Pferd die Sporen, und es setzte sich langsam in Bewegung.
    «Gott sei mit dir, Orientale.»
    Arapovian hob die rechte Hand und rief zurück: «Und mit Euch, Heermeister Aëtius!»
    «Und du, Zenturio?»
    Tatullus grinste. «Ich bleibe. So wie immer.»
    Zum Schluss ging er zu einer schlichten Herberge und bat darum, mit zwei Bewohnern sprechen zu dürfen.

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