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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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sie gegen Kön’ge aus Osten.
    Ein Herrscher unter Männern, gerühmt wie kein Zweiter.
    Der Scheiterhaufen fange Feuer, dass Flammen ihn umhüllen!
    Der Brand verschlinge ihn, den König unsres Volkes!
    Schwer sind uns’re Herzen beim Gedenken an ihn,
    Verstummt ist unser Lachen, wie Bäche fließen unsre Tränen.
    Keinen Schmuck mehr tragen unsre hübschesten Mädchen,
    Silber nicht ziere sie, Broschen nicht schmücken sie,
    Unablässig wird auf Pfaden in traur’ger Fremde
    Sein Volk den Verteidiger beweinen;
    Sprachlos zieht es dahin, leise nur murmelnd,
    Gebeugt von dem Schmerz, und bar jeder Freude,
    Gar mancher legt in der Frühe den taukühlen Speer
    Neben der wehklagenden Harfe nieder.
    Krieger nicht wecke der sorgenvolle Morgen.
    Der Rabe breitet die schwarzen Schwingen über düstere Hügel,
    Der Adler verkündet, wie er dahinritt und zog in die Schlacht.
    Zahllos sind seine Feinde, unnennbar die Zahl der Gefallenen.
    Herr unsrer Kriegerwölfe, die Toten erzittern vor ihm!»
    * * *
    «Ein großer Scheiterhaufen wurde entfacht», berichtete Orestes.
    Attila wandte sich von dem orangefarbenen Feuerschein ab, er wollte es nicht sehen. «Es ist, wie die Zauberin verkündet hat. Der Befehlshaber der Feinde wurde erschlagen. Aëtius lebt nicht mehr.»
    Doch dann kam die Kunde, dass es Theoderich war. Aëtius war noch am Leben. Attila packte den Boten so heftig, dass er ihm beinahe den Arm gebrochen hätte. «Bist du sicher?»
    «Man hat ihn an Theoderichs Scheiterhaufen gesehen.»
    Attilas Miene blieb unergründlich. Die Prophezeiungen hatten sich also erfüllt.
    In der Nähe saß eine unwichtige Person mit gekreuzten Beinen inmitten der Wagenburg, als befände er sich auf einem Fest der Hunnen und nicht auf dem schrecklichsten Schlachtfeld in der Geschichte ihres Volkes.
    «Hier ist noch eine Prophezeiung für Euch, o Herr», sagte die Person. «Kein Mensch wird je eine Prophezeiung richtig verstehen, bevor sie sich nicht erfüllt hat. Erst wenn du auf dein Leben zurückblickst, begreifst du es, und so ist es auch mit Prophezeiungen.»
    Attila sagte kein Wort, entfernte sich aber von diesem quälenden Singsang. Er kletterte auf einen der Wagen, zog sein blankes Schwert und stand lange Zeit so da, indem er in südlicher Richtung auf den Scheiterhaufen in der Nacht blickte: den Scheiterhaufen jenes vielgeliebten, noblen Königs, der auf seinem Schild aufgebahrt lag, inmitten der Gesänge christlicher Priester, umstellt von einem Wald aus Lanzen.
    * * *
    Hier schien der Scheiterhaufen eines antiken Helden zu lodern. Die Flammen schlugen hoch in dem glühenden Beinhaus, die Knochen barsten, Rippen fielen wie Holzscheite ins Feuer. Furchtlos sahen die Söhne zu, wie der Leichnam ihres Vaters verzehrt wurde. Ihre Schwester und ihr Vater waren wieder vereint.
    Als der Scheiterhaufen knackte und dann unter einem Funkenregen zusammenfiel, blickte sich Thorismund nach Aëtius um. Jetzt, da sein Vater nicht mehr lebte, wollte er in der Nähe des Heermeisters sein. Doch Aëtius war verschwunden.
    Er war allein auf das dunkler werdende Schlachtfeld hinausgegangen, mit nichts als einem Messer in der Hand. Von überall her drang das Stöhnen der Sterbenden zu ihm. Kleine Grüppchen überlebender römischer Soldaten waren unermüdlich damit beschäftigt, sie aufzubahren und abzutransportieren. Doch es waren weit mehr Verwundete als Unversehrte. Sie würden die ganze Nacht damit beschäftigt sein. Er würde gleich zurückkommen und helfen. In der endgültigen Erschöpfung würde er vielleicht Trost finden. Denn das Stöhnen bohrte sich in ihn wie heiße Schwerter, jedes einzelne eine Anklage. Einige der Sterbenden riefen nach Gott, anderen nach ihrer Mutter, andere wünschten sich den Tod herbei. Von den dreien kam nur der Tod verlässlich.
    Und wozu? Es hatte die vereinten Kräfte von ganz Rom und dem visigotischen Volk gekostet, um der Geißel Gottes Einhalt zu gebieten. Und mehr hatten sie nicht getan. Sie hatten Attila nicht besiegt. Nie würden sie ihn besiegen. Ebenso gut konnte man versuchen, den Wind zu besiegen. Aëtius hatte einen Optio zum Schweigen gebracht, der ihm gerade die Zahl der Gefallenen mitteilen wollte. Er kannte sie bereits. Die Hälfte der gotischen Wolfskrieger lag tot auf dem Feld. Sieben- oder achttausend hatten ihr Leben für Rom geopfert. Ob von den fünfundzwanzigtausend Mann seiner eigenen Armee, die den größten Ansturm der Hunnen abbekommen hatte, mehr als fünftausend überlebt hatten,

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