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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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haben, einen Fluch auszusprechen!», rief er und packte sie an ihrem langen schönen Haar.
    Sie trat zurück. «Kein Fluch, sondern die Wahrheit. Und du wirst mich anhören!»
    Orestes hielt inne. Die Atmosphäre im Zelt war aufgeladen von Entsetzen und dem metallischen Geruch von Blut.
    «Vor fast zwanzig Jahren bekämpften die Hunnen die Burgunder. Ich bin zwanzig. Unter König Ruga, diesem üblen Trunkenbold, diesem korrupten Betrüger, wurden die Hunnen von den Römern dafür bezahlt, die Burgunder zu bekämpfen, mein Volk.» Das Mädchen wurde zunehmend selbstbewusster, während es sprach. «Meine Mutter war sehr schön. Sie wurde vergewaltigt. Mein Vater wurde erschlagen. Vielleicht bin ich zur Hälfte Hunnin, ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht. Und nun schließt sich der Kreis. Die Hunnen zerstörten meine Familie.» Sie warf ihr Haar zurück und lächelte. «Nun habe ich den König zur Strecke gebracht.» Sie schaute zum Hochzeitsbett, das voller Blut war, hinüber. «Wie einem Schwein habe ich ihm die Kehle durchschnitten. Ich habe noch sein Blut und seinen Samen an mir. Vielleicht haben ja die alten Prophezeiungen doch recht: Er wird sich selbst zerstören. Es stimmt. Die Hunnen haben sich selbst vernichtet! Und nun töte mich!» Sie packte Orestes am Arm.
«Töte mich!»
    Orestes blickte in ihre glühenden, triumphierenden Augen. Dann tötete er sie.
    * * *
    Attilas Leichnam wurde auf einem Scheiterhaufen verbrannt, der unterhalb eines Seidenzeltes aufgeschichtet war. Reiter galoppierten im Kreis um ihn herum, sie schlugen sich mit blutigen Bändern. Viele Pferde wurden geopfert, ihre Leiber spießte man rund um den Scheiterhaufen auf Pfähle. Traurige Flöten spielten, wütende Trommeln dröhnten, Frauen wehklagten. Staub verdunkelte die Sonne, als Tausende von Reitern wild über die Ebene galoppierten und Pfeile in den sich rot färbenden Himmel abfeuerten.
    Attilas Knochen wurden in einen Sarg aus Gold, Silber und Eisen gebettet, der mit vielen Ornamenten und juwelenbesetzten Wappen verziert war, es wurden ihm goldene Becher und Beutel mit Juwelen beigegeben. Die Theiß wurde umgeleitet und der riesige Sarg dann in das Flussbett eingelassen. Daraufhin wurde der Fluss wieder in sein altes Bett gelenkt, sodass er für alle Zeiten über das Grab floss. Die gefangenen Sklaven, die den Sarg in den Flussboden eingelassen hatten, wurden erschlagen und in den Fluss geworfen. Bis heute ist die Stelle, an der Attila begraben liegt, unbekannt.
    Die ganze Nacht hindurch schlugen die Trommeln im Takt, müde Krieger, die das Haar offen trugen wie die Mähnen von Pferden im Regen, paradierten und tanzten um das Feuer. Sie hatten die Augen geschlossen, auf den Narben auf ihren Wangen schimmerte der Widerschein des Feuers. Aus ihren Kehlen drang ein tiefer kollektiver Laut, ein murmelndes Summen, unisono, so alt wie der Lauf der Welt, müde und doch unerbittlich, bereit, sich niemand anderem als Mutter Erde selbst hinzugeben.
    * * *
    Ohne dass dies besprochen oder von dem ältesten Sohn des Königs, Dengizek, so angeordnet worden wäre, brachen die Hunnen am nächsten Tag ihre Zelte ab und machten sich auf den Weg in die Wildnis im Osten, aus der sie so plötzlich gekommen waren, um die Erde in ihren Grundfesten zu erschüttern. Die großen Wagen rollten durch Wolken aus orangefarbenem Staub, die Lieder der Hunnen verhallten, als sie in der dunkler werdenden Steppe verschwanden. Ein Volk, das zu seinen besten Zeiten mehr gefürchtet wurde als jedes andere auf Erden und von dem man nie mehr etwas hören sollte. Kinder von Hexen und Dämonen des Windes, die nun verschwanden. «Wie der Wind, wie der Wind.»
    Nur ein einziger Mann blieb zurück, nachdem die große Horde des hunnischen Volkes davongezogen war. Er hatte Federn und Bänder im Haar und trug einen Rock aus Ziegenleder, der mit schwarzen Strichmännchen verziert war. Er saß oben auf einem goldenen Kalksteinfelsen, der sich über dem breiten Flusstal erhob und von dem man nach Süden und Westen über ganz Europa schauen konnte. Eine sanfte Abendbrise wehte übers Gras und über die gelben Felsröschen, der Sonnenuntergang auf dem Wasser war wunderschön. Wie herrlich die Welt in all ihren Geheimnissen doch war! Er verstand nichts davon, musste er nun feststellen. Die Welt war, wie sie nun einmal war, unfassbar schön, und es brach ihm das Herz, von ihr zu scheiden.
     
    Weine nicht, oh Kleiner Vogel,
    Ohne Stamm bist du und ohne

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