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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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lauter.
    Bald schon zeigte sich ein schwach orangenes Glimmen: die Eisenbeschläge der Falltür, inzwischen rotglühend. Durch die Lücken am Rand der Falltür kam zischelnd geschmolzenes Fett getröpfelt, und es roch nach gebratenem Schweinefleisch. Hoffentlich, dachte Arapovian, kamen die Frauen und Kinder nicht darauf, was da oben gerade verbrannte.
    «Betet», sagte er. «Ihr alle.»

12. FLUCHT
    S tille, die nur hin und wieder durch das dumpfe, gedämpfte Krachen eines Donnerschlags unterbrochen wurde. Die Hunnen über ihnen plünderten, verwüsteten und zerstörten noch immer. Und sie saßen noch immer hier unten in der Falle. Ab wann wäre es besser, sich zu ergeben, als hier zu sterben? Schon bald vielleicht.
    Sie verloren jegliches Zeitgefühl. Schliefen nur unruhig. Die Angehörigen hockten meist schweigend da, wie erstarrt vor Angst und Leid. In verkrampfter Haltung, mit den eigenen Ausscheidungen besudelt, vom ständigen Zittern zermürbt, angeekelt vom Gestank ihrer eigenen Körper. Ihre Zungen vor Durst geschwollen und wund. Die Kinder litten besonders, ihre Kehlen waren so ausgedörrt, dass das Schlucken zur Qual wurde. Sie leckten an den feuchten Mauern herum, schmeckten den bitteren Geschmack der Grünalgen auf ihren Zungen, bis Arapovian es ihnen untersagte. «Das bringt euch bloß noch schneller um», sagte er.
    Der einzige Trost war, dass das Feuer nicht die Luft aus dem Kerker gesogen hatte. So stickig und dämpfig es hier unten auch war, sie konnten immerhin noch atmen.
    Sie taten ihm unendlich leid. Diese Kinder, die jetzt keinen Vater mehr hatten, diese auf einmal verwitweten Frauen, dieses alte Ehepaar, deren erschlagener Sohn vielleicht ganz in der Nähe lag. Ihre ganze Welt bestand jetzt aus diesem stinkenden, grässlichen Loch.
    Die Zeit verstrich. Oben war nun alles still.
    «Wir müssen raus hier», sagte Faustriemen.
    «Noch zwölf Stunden.»
    «Und wie sollen wir wissen, wann die vorbei sind?»
    «Wenn ich die Litanei noch etwa dreißigmal gebetet habe.»
    «Das soll wohl ein Witz sein.»
    Arapovian würdigte ihn keiner Antwort.
    «Weißt du was. Erzähl uns stattdessen von Armenien.»
    Nach langem Schweigen fing Arapovian an, ihnen von seiner Heimat zu erzählen. Er erzählte ihnen von seinen Freunden Jahukunian, Arutyunian und Khorenatsian, die tot in der Erde eines Landes begraben lagen, das nicht länger das ihre war. Von Königin Paranjem, die heldenhaft gegen die Perser unter König Schapur dem Großen gekämpft hatte, als er das Land verheerte, und von König Arschak, der Feinden in die Hände fiel, der geblendet und dreißig Jahre in der Burg des Vergessens eingekerkert wurde. Auch von den heidnischen Feuertempeln der Zoroastrier erzählte er, errichtet auf den Trümmern christlicher Schreine, von den weiten Ebenen von Erzinjan und Erzurum, von den Reihern und Frankolinen in den Sumpfgebieten, und von dem großen Kloster in Etschmiadsin, dem ältesten der Welt, wie es hieß. Als er geendet hatte, schliefen die anderen tief und fest.
    Dreißig gemurmelte Litaneien später schüttelte er gemeinsam mit Faustriemen die Menschen wach. Dann tasteten sie sich im Dunkel zur Treppe vor.
    Faustriemen hielt sich mit seiner Keule bereit, während Arapovian von unten seinen Schwertknauf in die Höhe reckte und ganz leicht damit gegen die Falltür stieß. Ein Seufzen war zu vernehmen, dann zerfiel das völlig verkohlte Holz der Tür zu Asche. In dichten Flocken rieselte es ihm auf die Schultern, bis nur noch die Eisenbeschläge übrig blieben. Er klappte die Reste beiseite und stieg mit dem Schwert in der Hand aus der Öffnung. Das Häuflein verkohlter Knochen, das gleich daneben lag, schob er mit dem Fuß so gut es ging unter qualmende Balkenreste. Die Angehörigen sollten davon nichts sehen, wenn sie herauskamen.
    Zittrig stiegen sie hinauf ins Tageslicht. Um sie herum dämmerte der Morgen. Wie lange mochten sie da unten gesessen haben? Nicht einmal Arapovian wusste es genau zu sagen. Drei volle Tage möglicherweise. Und nun, ganz wie Christus, waren sie wiederauferstanden. Er lächelte bitter.
    Sie standen da und betrachteten wie ein Häuflein zerlumpter Bettler nach dem Weltuntergang ungläubig die Verwüstung ringsumher. Stieg auch noch hie und da Rauch auf, übrig war nichts mehr.
    «Heilige Maria, liebe Mutter Gottes», flüsterte der alte Mann.
    Das Kastell mitsamt Garnisonslager existierte nicht mehr. Alles nur eine Mondlandschaft aus Asche, aus der da und dort kümmerliche

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