Attila - Die Welt in Flammen
Mauerreste aufragten wie vereinzelte Zahnstummel. Sonst nichts. Benommen streiften sie durch diese Wüste aus Schutt und Staub und dünnen Rauchschwaden und vergaßen dabei sogar für einen Moment ihren entsetzlichen Durst. Wo einst die mächtigen Ecktürme und Kastellmauern gestanden hatten, waren nur noch Trümmer übrig, bizarr aufragende Überbleibsel, Berge von Geröll. Durch die Lücke im Schutt, wo sich das Westtor befunden hatte, waren die Überreste der Stadt zu erkennen, und dahinter in der Ferne, verstreut auf den fruchtbaren Ebenen ringsumher, die qualmenden Ruinen ihrer Häuser und Gehöfte, die ebenfalls niedergebrannt und zerstört worden waren.
Eine Frau stieß einen Schrei aus und strauchelte, aber Faustriemen fing sie noch rechtzeitig auf. Er legte ihr seine Pranke auf die schmale Schulter, betrachtete das trostlose Bild der Zerstörung und tröstete sie dann auf seine Art. «Ehrlich gesagt, so langsam bringen diese Hunnen auch mich in Rage.»
«Na los, du Affe», sagte Arapovian. «Beweg dich.»
«Hör auf, mich einen Affen zu nennen.»
«Erst, wenn du aufhörst, mich einen Parsen zu nennen.»
Faustriemen seufzte. «Das kann ja noch lustig werden.»
«Nein», widersprach Arapovian, während er die verwüstete Landschaft musterte. Er schob sein Schwert zurück in die Scheide und zurrte seinen Gürtel enger. «Ganz sicher nicht.»
Vorangehend bahnte er ihnen einen Weg durch die Ruinen, wobei er sich bemühte, ihnen die schlimmsten Gräuel zu ersparen. Überall zwischen den verkohlten Balken und Steinen lagen die verbrannten Überreste von Menschen. Pechschwarz und grotesk verkrümmt und vom Feuer verstümmelt, als hätte ein Gott sie ungeschickt aus Teer geformt und dann, noch ehe er ihnen Leben einhauchte, herzlos beiseitegeworfen.
Eine Mutter stürzte in ihrer Verzweiflung an den Rand eines zertrümmerten Brunnens, riss sich den Umhang von den Schultern und hängte ihn hinab in die Tiefe, um vielleicht an Wasser zu kommen, das sie ihrem Kind dann in den Mund tröpfeln könnte.
Arapovian zog sie zurück. «Es ist verseucht.»
Sie funkelte ihn zornig an, halb verrückt vor Sorge. «Woher willst du das wissen?» Ihr Kind war vom Durst schon völlig geschwächt, darbte mit leichenblassem Gesicht vor sich hin.
«Sogar der große Fluss ist verseucht, weil so viele Leichen an seinem Ufer treiben. Aber ich führe euch dahin, wo es Wasser gibt.» Er deutete zu den Hügeln im Süden. «Sauberes Wasser. Hab keine Angst. Du wirst leben, du und dein Kind. Die Hunnen sind fort.»
Er nahm ihr das Kind behutsam ab, drückte es sich an die Schulter und führte sie weiter durch die Trümmerlandschaft.
Sie kamen an den Überresten des Stabsgebäudes vorbei. Daneben, wo sich das Fahnenheiligtum befunden hatte, klaffte ein Loch im Boden.
Faustriemen spuckte kräftig aus. «Dann haben sie also das Gold gefunden. Woher wussten sie, dass es sich dort befand?»
Arapovian sah sich nach allen Seiten um. «Der hunnische Kriegsherr weiß noch viel mehr.»
«Und was werden sie damit anstellen? Sie wirken nicht gerade so, als würden sie Wert auf edle Weine und seidene Unterwäsche legen.»
«Sie werden weitere Söldner anheuern. Alanen, Gepiden, Sarmaten.» Arapovian ging weiter. «Sich damit noch mehr Macht kaufen.»
Ein Schauer des Grauens überlief sie, als sie sich dem Trümmerhaufen des Westtors näherten. Dort ragte nach wie vor eine Plattform in die Höhe, der Holzfußboden, der sich im ersten Stock des Torturms befunden hatte. Und es stand weiter eine Gestalt dort oben, breitbeinig, den Blick scheinbar hinaus auf die Ebene gerichtet. Vermutlich ein toter Römer, den die Hunnen mit ihrem grausigen Sinn für Humor auf einen Speer gespießt und dort oben aufgepflanzt hatten.
Arapovian drückte Faustriemen das halb verdurstete Kind in die Arme.
«Mit Kindern kann ich nicht so», brummte er abwehrend.
«Warte hier.»
Der Armenier kämpfte sich über die Trümmer nach oben, ohne das Pochen in seiner Oberschenkelwunde zu beachten. Zumindest den gepfählten Leichnam wollte er herunterholen. Ihn mit Steinen zudecken, ein paar passende Worte murmeln. Er schwang sich auf die Plattform und ging auf den Toten zu.
Der Tote drehte sich um.
Arapovian erstarrte.
Es war Tatullus.
Und er lebte. Sein Blick war so leer und glanzlos wie der eines Toten, seine Unterarme voller Schnittwunden, das Haar auf seinem Kopf an einer Seite blutverkrustet. Aber er lebte. Der Zenturio mit dem eisernen Herzen. Er starrte
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