Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
Vom Netzwerk:
Vergnügen, zur Feier ihres Sieges, aber auch, wie der hunnische Kriegsherr unter Gelächter erklärte, zur Übung. Er ritt auf seinem kleinen Scheckenpony Chagelghan in den brennenden Trümmern des Lagers umher – er nannte seine Pferde immer Chagelghan, warum, wusste keiner. Seine goldenen Ohrringe schwangen, während er sich umsah, und seine gelben Augen leuchteten vor Zufriedenheit im Dunkel.
    «Ich will, dass von diesen Mauern nichts übrig bleibt», verkündete er.
    Später, im ersten Morgengrauen, stieg er auf einer Anhöhe südlich der Stadt auf sein Pferd, mit Orestes und Chanat an seiner Seite, der sich nachdenklich über den grauen Schnurrbart strich. Vor ihnen stand ein mit dicken Seilen gefesselter Gefangener, dessen Hände gerade so viel Spielraum hatten, dass er eine Bibel halten konnte.
    Attila grinste. «Lies mir vor», sagte er, «aus diesem schönen alten Buch der Christen. Die Worte des Propheten Nahum.»
    Er ließ seinen Blick genießerisch über die verwüstete Stadt gleiten, ganz so, wie ein Kunstliebhaber ein herrliches Fresko der Venus oder Atalantas in Corydon betrachten würde, während sein Gefangener zitternd aus der Schrift vorlas.
     
    Weh der blutbefleckten Stadt! Reiter rücken herauf mit glänzenden Schwertern und mit blinkenden Spießen. Da liegen viele Erschlagene, eine Unzahl von Leichen; ihrer ist kein Ende, sodass man über sie stolpern muss. Siehe, ich will an dich, spricht der Herr der Heerscharen; die Tore deines Landes sollen deinen Feinden weit geöffnet werden, und das Feuer soll dich verzehren. Deine Hirten werden schlafen, deine Mächtigen schlummern. Dein Volk wird auf den Bergen zerstreut sein, und niemand wird sie sammeln. Niemand wird deinen Schaden lindern, und deine Wunde wird unheilbar sein. Alle, die das von dir hören, werden in die Hände klatschen über dich; denn über wen ist nicht deine Bosheit ohne Unterlass dahingegangen?
     
    Attila nickte lächelnd. «Sogar der Gott der Christen hat gesprochen.»
    Er nahm dem Gefangenen die kostbare Bibel ab und reichte sie an Orestes weiter. Dann schlitzte er dem Gefesselten mit einem Schwertstreich den Hals von einem Ohr zum anderen auf und ritt mit seinen beiden Gefährten die Anhöhe hinunter auf die Stadt zu. Seine Männer hielten zur Feier ihres Sieges bereits Pferderennen im halb zerstörten Hippodrom ab. Sie hüllten Pferde in die Gewänder abgeschlachteter Priester und trugen das Kruzifix selbst auf der Rennbahn umher, wobei sie Christus eine spitze skythische Mütze aufgesetzt hatten, einen Kalpak. Später sollten sie das Kruzifix in den Sand rammen und zu einem Totem nach ihrem Geschmack umgestalten, indem sie abgeschlagene Köpfe daranhängten, denen die Haut abgezogen war und die sie mit Stroh ausgestopft hatten. Am Abend würden sie ein Festmahl im Feuerschein abhalten, sich das gebratene Fleisch von geschlachteten Schafen und Rindern schmecken lassen und mit erbeuteten Silberkelchen, die mit christlichen Symbolen oder auch Darstellungen von Silen, der seine Nymphen jagt, verziert waren, auf ihren Sieg anstoßen.
    * * *
    Im schummrigen Licht des flackernden Öllämpchens fiel den beiden Soldaten eine weitere eisenbeschlagene Tür ins Auge.
    «Die führt nicht ins Freie», sagte Faustriemen. «Das ist der Hinrichtungskerker. Und ich glaube auch nicht, dass wir dazu jetzt den passenden Schlüssel finden, du etwa?»
    Arapovian trat zwischen den Frauen und Kindern hindurch und klopfte gegen die Tür, ganz höflich nur. Gleich darauf war ein Klopfen von der anderen Seite zu vernehmen.
    «Ach, na ja», sagte Faustriemen. «Dem wäre ja eh die Rübe abgeschlagen worden. So verhungert er eben stattdessen. Erleidet dasselbe Schicksal wie wir alle hier.»
    Arapovian stand vor der Kerkertür und stocherte kurz mit seinem spitzen Dolch in dem großen Schlüsselloch herum. Dann zog er die Broschennadel aus seinem Mantel, kniete sich hin und versuchte damit sein Glück. Kurze Zeit später war ein Klicken zu hören. Er zerrte am Türknauf, und ganz langsam und knirschend öffnete sich die Tür.
    Faustriemen verdrehte die Augen, weil dieser Angeber mal wieder den Alleskönner herausgekehrt hatte. Er stieß ein leises «Pah!» aus.
    Eine Gestalt kam langsam herausgewankt, gefesselt an Händen und Füßen, und blinzelte ins Lampenlicht. Wäre da nicht der wild wuchernde schwarze Vollbart gewesen, hätte er als jüngerer Bruder Faustriemens durchgehen können.
    «Wasser», krächzte er heiser.
    «Bekommst du später»,

Weitere Kostenlose Bücher